Eine deutsch-französische Drogenpolitik wird es nicht geben

Die deutsche und die französische Drogenpolitik sind diametral entgegengesetzt. Allerdings funktioniert das französische System ebensowenig wie die Prohibition in den USA.

In Frankreich gibt es trotz oder wegen der extrem restriktiven Drogenpolitik die meisten Cannab is-Konsumenten in Europa. Foto: Cannabis Pictures / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Während der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach gestern die Daumen drückte, dass am Freitag der Bundesrat das neue Cannabis-Gesetz, das ab dem 1. April Cannabis in Deutschland legalisieren soll, nicht in den Vermittlungsausschuss schickt und somit entscheidend verzögert, fuhr der französische Präsident Emmanuel Macron nach Marseille, um dort einer „XXL-Operation“ gegen Dealer und Cannabis-Konsumenten beizuwohnen. Viel weiter voneinander entfernt könnten die deutsche und die französische Drogenpolitik nicht sein. Allerdings muss man festhalten, dass die europaweit restriktivste Drogenpolitik in Frankreich vor allem dazu geführt hat, dass die Geschäftsmodelle der Dealer immer lukrativer werden und dass Frankreich im Europavergleich die höchsten Nutzerzahlen von Cannabis hat. Erfolgreich kann man das nicht gerade nennen.

Wie „erfolgreich“ die französische Jagd auf Kiffer und Dealer ist, zeigen die Zahlen. 45 % der Franzosen haben Cannabis zumindest schon probiert, was fast die Hälfte der Bevölkerung zu Kriminellen macht und Frankreich auf Platz 1 der stärksten Cannabis-Konsumenten in Europa setzt, trotz oder gerade wegen dieser restriktiven Drogenpolitik. Auf den Plätzen folgen Spanien und Italien, wo auch rund ein Drittel der Bevölkerung bereits Erfahrungen mit Cannabis gemacht hat. Die übrigen europäischen Länder liegen zwischen 10 % (Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Lettland) Cannabis-Nutzern und bis zu 30 % (Irland, Großbritannien, Niederlande, Deutschland, Tschechien, Österreich oder Finnland), während der europäische Durchschnitt bei 27 % der Bevölkerung liegt, die Cannabis zumindest bereits versucht haben.

Wie sinnvoll est ist, zwischen einem Viertel und der Hälfte der Bevölkerung zu kriminalisieren, muss jedes Land für sich selbst klären. Doch was Frankreich gerade macht, erinnert stark an die Aktionen in Nordafrika, wo man gegen Flüchtlinge kämpft, die nach Europa übersetzen wollen. Dieser Kampf, den Frontex und andere kämpfen, hat nicht etwa die Fluchtwellen beendet, sondern die Überfahrt und das Geschäftsmodell der Menschenschmuggler enorm verteuert. Hätte man dafür sorgen wollen, dass diese Menschenschmuggler bessere Geschäfte machen und höhere Preise verlangen können, hätte man nicht anders agieren sollen.

Mit der Drogenpolitik ist es ähnlich. Die meisten Konsumenten gibt es nicht etwa in den Niederlanden, wo es fast überall „Coffeeshops“ gibt, sondern in Frankreich, wo man unglaubliche Ressourcen in Polizei und Justiz bindet, um gegen Cannabis zu kämpfen. Ergebnis: Der Handel floriert, und auch die medienwirksamen „XXL-Operationen“, bei denen zahlreiche Kiffer und Dealer in den Problemvierteln verhaftet werden, ändern nichts am Konsumverhalten der Franzosen. Warum man ein derart erfolgloses Konzept nicht nur beibehält, sondern sogar noch weiter verschärft, weiß wohl nur die französische Regierung.

Zum 1. April soll nun in Deutschland Cannabis legalisiert werden, entweder durch Heimanbau oder ab dem 1. Juli durch in „Cannabis-Vereinen“ gezogenes Cannabis, doch ist Deutschland nicht das erste europäische Land, das Cannabis legalisiert. 2021 machte Malta den ersten Schritt, wobei die zulässigen Mengen in Malta deutlich geringer sind als die Mengen, die künftig in Deutschland legal sind.

Natürlich denkt man, wenn man die französische Drogenpolitik anschaut, an die Prohibition in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts in den USA. Das strikte Verbot von Alkohol führte vor 100 Jahren nicht etwa dazu, dass die Amerikaner aufhörten Alkohol zu trinken, sondern zum Entstehen mächtiger krimineller Vereinigungen wie der Mafia, die sich dank der Prohibition erst richtig in den USA etablieren und entwickeln konnte. Ähnlich verhält es sich in Frankreich, wo viele Jugendliche in den Problemvierteln eigentlich nur das Dealen als berufliche Perspektive haben. Je schärfer sie dabei von den Behörden verfolgt werden, desto größer ist der Druck, regelrechte und gut organisierte kriminelle Vereinigungen zu bilden, in denen alle Beteiligten viel Geld verdienen. Je schärfer die Verfolgung, desto höher die Gewinnspannen.

Genau hier will die deutsche Gesetzesinitiative gegensteuern. Ein Drittel der Bevölkerung und einen großen Teil der Jugend zu kriminalisieren, kostet unglaublich viel Geld und bringt – nichts. Im Gegenteil. Während in Frankreich auch der Reiz des Verbotenen durchaus eine Rolle dabei spielt, dass 45 % der Bevölkerung Erfahrungen mit Cannabis gemacht haben oder machen, hat in den Niederlanden die faktische Legalisierung von Cannabis sogar zu einem Absinken der einheimischen Konsumentenzahlen geführt und das trotz der ständigen Verfügbarkeit von Cannabis in den „Coffeeshops“.

Die Vorstellung, dass punktuelle „XXL-Operationen“ in den Problemvierteln Konsum und Handel mit Cannabis auch nur leicht eindämmen könnten, wird täglich vor Ort widerlegt. Das geplante deutsche System hingegen zielt darauf ab, den kriminellen Organisationen den Boden unter den Füssen wegzuziehen und ihr Geschäftsmodell dadurch zu zerstören, dass jeder und jede entweder zuhause oder in einem „Cannabis-Verein“ seinen Knaster zum Nulltarif anbauen, ernten und konsumieren kann, ohne dabei eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Das entlastet gleichzeitig die Polizei und die Gerichte.

Da Frankreich gleichzeitig enorme Anstrengungen unternimmt, um das Geschäftsmodell der Dealer weiter zu fördern, wird es wohl auf lange Zeit keine deutsch-französische Drogenpolitik geben. Doch wenn die Hälfte der Bevölkerung in Frankreich Erfahrungen mit Cannabis gemacht hat und macht, könnte man durchaus einmal den Sinn dieser restriktiven und letztlich bereits gescheiterten Drogenpolitik hinterfragen. Denn den Dealern und ihren kriminellen Strukturen schaden nicht einmal die „XXL-Operationen“. Während die Polizei nach solchen Razzien noch die Verhafteten ins Kommissariat bringt, haben schon neue Dealer den Markt übernommen. Und daran wird sich durch die Jagd auf Kiffer und Dealer nichts ändern.

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