Ein Schrei nach Anerkennung

Frankreichs Polizei geht seit einigen Tagen jeden Abend auf die Straße, um gegen alles Mögliche zu demonstrieren. Doch das, was den Polizisten am meisten fehlt, ist Anerkennung.

Für die französische Polizei sind schon viele Grenzen überschritten worden... Foto: Kevin.B / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Parallelen zwischen den aktuellen Demonstrationen und den Demonstrationen der Sommer-Jugendbewegung „Nuit Debout“ stechen ins Auge. Man trifft sich im Schutz der Dunkelheit, die Demonstranten äugen misstrauisch um sich herum und als Journalist hat man von vornherein schlechte Karten. Das geflügelte Wort der „Lügenpresse“ ist kein Monopol realitätsfremder Ausländerhassen in Sachsen mehr, sondern ein allgemeines Gefühl bei all denjenigen, die für oder gegen etwas demonstrieren. Und Fotos machen geht schon gar nicht. Aber was wollen die Polizisten? Was für Forderungen treiben sie auf die Straße? Wir haben versucht, es herauszufinden.

Freitagabend, Place Kléber im Herzen der Straßburger Innenstadt. Ungefähr 70 bis 80 Demonstranten stehen auf dem Platz, trinken Kaffee aus Thermoskannen und diskutieren in kleinen Grüppchen. Zunächst will niemand mit uns sprechen. „Presse?“, wird zurückgefragt, „nee, lass mal, wir sprechen nicht mit der Presse“. Aha. Nach einigem Insistieren erscheint ein jüngerer Mann, der sich als „Sprecher“ vorstellt, aber seinen Namen nicht nennen will. Aber immerhin ist er bereit, einige Auskünfte zu erteilen, nachdem er Ausweis und Presseausweis mit einer Selbstverständlichkeit kontrolliert hat, die ihn dann eben doch als Polizisten ausweist.

„Wir haben die Schnauze voll“, sagte der „Sprecher“, und dann sprudelt es aus ihm heraus. „Unsere Verwaltung ist überholt, wir wissen nie, wann und wohin wir versetzt werden, die Justiz ist zu lasch, wir werden immer beschuldigt, wenn wir jemanden verhaften und der sich dabei verletzt, wir trauen uns ja kaum noch von der Schusswaffe Gebrauch zu machen, wir sind zu wenige und unsere Ausrüstung ist überholt und wir werden immer kritisiert“. Das sind dann mal eine Menge Themen auf einmal. „Und was fordern Sie?“ „Dass sich das ändert.“

Die Diskussion verläuft eher schleppend. Was dann auch wieder an „Nuit debout“ erinnert. Ebenso wie die Jugendlichen wissen auch die Polizisten ziemlich genau, was sie nicht wollen, haben aber Schwierigkeiten zu formulieren, was sie wollen. Wir bauen eine Brücke – „Innenminister Cazeneuve hat Ihnen doch sofortige Investitionen von 250 Millionen Euro in Ihre Ausrüstung zugesagt?…“ – „Ja, aber das reicht nicht. Und wir wollen auch mehr Anerkennung.“

Ein Konvoi von Fahrzeugen der Städtischen Polizei erscheint am Kléberplatz. 8 Fahrzeuge, die mit eingeschaltetem Blaulicht den Platz umrunden, als Zeichen der Solidarität. Wäre es keine Demonstration von Polizisten, gäbe es jetzt Festnahmen. Aber Polizisten verhaften keine Polizisten. Der Beifall der Demonstranten ist groß und man erkennt an den Armbinden, dass nicht nur Polizisten, sondern auch Zöllner und Soldaten an der Demonstration teilnehmen.

„Ist Ihre Bewegung organisiert? Sind Sie mit den demonstrierenden Kollegen in anderen Städten vernetzt?“ – „Nö.“ – „Wirklich nicht?“ – „Naja, schon ein wenig, über unser Intranet und Soziale Netzwerke eben.“ Beruhigend zu wissen, dass die EDV-Ressourcen der französischen Polizei nicht nur bei der Jagd auf Verbrecher eingesetzt werden, sondern auch zur Organisation nicht angemeldeter Demonstrationen.

Dass sich die französische Polizei seit letztem Jahr überfordert fühlt, ist verständlich. Seit November 2015 befindet sich Frankreich im Ausnahmezustand, erschüttert von Terroranschlägen und der allgegenwärtigen Angst, dass sich solche Anschläge wiederholen. Im Fokus dabei – eine Polizei, deren Ausrüstung tatsächlich weitgehend veraltet ist, deren Verwaltung mancherorts noch so funktioniert wie in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, eine Polizei, die nicht nur mit unzureichender Logistik, sondern auch mit einem Korporatismus zu kämpfen hat, bei dem man immer wieder das Gefühl hat, die Polizei sei der „Staat im Staat“ in Frankreich. Das allerdings sehen die Demonstranten natürlich ganz anders. „Bei 90.000 Straftaten gegen Polizisten im letzten Jahr gab es meistens nur Geldstrafen“, beklagt sich der „Sprecher“. – „Darf ich Sie namentlich zitieren?“ – „Nö.“

Eine härtere Justiz, mehr Polizeibeamte, moderneres Equipment und ein gesellschaftlicher Kontext, in dem sich Polizisten wieder trauen können, munterer von der Schusswaffe Gebrauch zu machen – davon träumen die Polizisten, die auf die Strasse gehen. Ob allerdings die Bevölkerung ebenso martialische Träume für ihre Polizei träumt?

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