Was ist neun Jahre später aus „Charlie“ geworden?

Am 7. und 8. Januar 2015 ereignete sich das Drama von „Charlie Hebdo“. Zwei Terroristen ermordeten kaltblütig 12 Personen in der Redaktion von „Charlie Hebdo“ - die internationale Betroffenheit war groß.

Selbst in Freiburg stand es damals an der Leo-Wohleb-Brücke... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – „Je suis Charlie“, „Ich bin Charlie“, so lautete die internationale Reaktion auf die Ermordung von 8 Zeichnern und Redaktionsmitgliedern und vier weiteren Personen am 7. Januar 2015 durch zwei islamistische Terroristen. Diese hatten ihre kaltblütigen Morde mit der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in dem Satiremagazin begründet. Die Ermordung von Frédéric Boisseau, Cabu, Charb, Honoré, Tignous, Wolinski, Elsa Cayat, Bernard Maris, Mustapha Ourrad, Franck Brinsolaro, Michel Renaud und Ahmed Merabet war ein feiger Anschlag auf die Pressefreiheit und traf Frankreich ins Mark. Aufgespürt und bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet wurden die Täter am 8. Januar in einer Druckerei nordwestlich von Paris.

Die Täter hatten ein ähnliches Profil wie die meisten der Terroristen, die 2015 fürchterliche Anschläge in Paris begangen. Kleinkriminelle aus den Vorstädten, die sich während ihrer zahlreichen Gefängnisaufenthalte radikalisiert hatten. Doch ihr Morden hatte zunächst eine Reaktion der Resilienz zur Folge. Weltweit hielten Menschen bei Mahnwachen vor französischen Einrichtungen Schilder hoch, auf denen „Je suis Charlie“ stand. Dabei galt die Solidarität nicht nur den ermordeten und in Frankreich sehr bekannten Karikaturisten, sondern einem ganzen Wertesystem, in dem die Pressefreiheit einen wichtigen Stellenwert hat. Oder haben sollte.

Die Trauermärsche und Mahnwachen sollten den Franzosen eine Botschaft senden, die besagen sollte, dass Frankreich nicht alleine bei der Verteidigung dieser Werte steht. Es war wie ein Versprechen, auf den Schutz der Pressefreiheit zu achten – genau das sollte das weltweite „Je suis Charlie“ bedeuten.

Und wo stehen wir heute, nur neun Jahre später? Die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ existiert immer noch, ja mehr denn je, aber das, wofür „Charlie“ stand, ist längst vergessen. Gewiss, in Frankreich hat man an das Datum erinnert, was aber auch daran liegt, dass einige der „Charlie“-Karikaturisten in Frankreich echte Stars waren. Der Rest der Welt hat „Charlie“ vergessen und schaut seelenruhig zu, wie die Pressefreiheit immer weiter eingeschränkt wird, wie weltweit Journalisten bedroht und angegriffen werden; man akzeptiert, dass die Presse immer mehr zu Propaganda-Zwecken missbraucht wird, dass die Zensur inzwischen so weit fortgeschritten ist, dass sie als Schere im Kopf vieler Journalisten ein weiteres Eingreifen der jeweiligen Redaktionsleitungen gar nicht mehr nötig macht.

Dass zu einem Zeitpunkt, zu dem fast überall in Europe die Rechtsextremisten an die Macht drängen, der Geist von „Charlie“ verschwunden ist, macht die Situation noch schlimmer. Der Mut der „Charlie Hedbo“-Redaktion hat sich nicht etwa multipliziert, sondern ganz im Gegenteil, es wird immer schwieriger, anders als im Mainstream zu publizieren.

Angesichts aller aktuellen Entwicklungen wäre es hilfreich, würde man sich tatsächlich an „Charlie“ erinnern und das Versprechen, das sich damals die ganze Welt gab. Denn nur, wer die Pressefreiheit schätzt und verteidigt, kann sagen „Je suis Charlie“.

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