Wir werden uns etliche Fragen stellen müssen…

Das Coronavirus zeigt nicht nur deutliche Lücken in unseren Gesundheitssystemen auf, sondern stellt auch ganz grundsätzliche Fragen zur Organisation der Welt.

Wie werden wir nach der Corona-Krise aus der Wâsche schauen? So, so, so oder so? Foto: Gert Germeraad / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Eines Tages, das ist klar, werden wir das Schlimmste mit dem Coronavirus überstanden haben. Doch dann sollten wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, was vermutlich aber angesichts der mit dem Virus Hand in Hand gehenden Wirtschaftskrise auch gar nicht möglich sein wird. Es wird zwei Möglichkeiten geben – entweder wir stecken den Kopf in den Sand wie nach dem Atomunfall in Tschernobyl, oder aber wir starten eine Grundsatzdebatte, wie die Welt im 21. Jahrhundert organisiert werden muss – denn das ist eine der Erkenntnisse nach nur wenigen Wochen Coronavirus: So, wie es gerade läuft, kann es nicht weitergehen.

Die globalisierte Wirtschaft stößt an ihre Grenzen und wie zerbrechlich das weltweite Gleichgewicht ist, das erkennt man in diesen Tagen. Zuerst bricht die Wirtschaft in China zusammen und aufgrund der zahlreichen Interdependenzen bricht in der Folge auch bei uns einiges zusammen. Die Woche ist mit einem ausgewachsenen Börsencrash gestartet und hier erkennt man bereits, dass unser Wirtschaftssystem, das sich nicht mehr an realen Werten, sondern an den Finanzmärkten orientiert, überholt ist. Die Zeiten des Finanzmarkt-Kapitalismus, der die Gewinne der Realwirtschaft abschöpft und damit der größte Feind eines gesunden Wachstums ist, sind vorbei. Unser Finanzmarkt-System hat ausgedient und ist selbst zu einer der größten Bedrohungen der Weltwirtschaft geworden.

In der aktuellen Coronakrise erkennt man es genau – die großen Wirtschaftseinheiten warten auf Rettung, die Großindustrie wird gestützt und kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) werden das Handtuch werfen. Das ist in China nicht anders als bei uns – auch in China werden rund 80 % der Arbeitsplätze von den KMU gestellt. Nur, rund 70 % der chinesischen KMUs werden die nächsten Wochen nicht überleben. Das eilig von der chinesischen Regierung aufgesetzte Rettungsprogramm in Höhe von 116 Milliarden Dollar wurde fast vollständig von den Wirtschaftsgiganten aufgesogen und von diesem Programm kam praktisch nichts bei den KMU an.

Mit Patchwork-Lösungen wird man jetzt nicht mehr sehr weit kommen, es ist Zeit für ein grundsätzliches Hinterfragen von Systemen und Strukturen. Die EU könnte hier eine führende Rolle einnehmen, mit einer Art „Wirtschaftsrevolution von oben“. Nur – dafür fehlt der aktuellen Politikergeneration der Mut und außerdem sind die Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft so stark, dass man nicht davon ausgehen kann, dass beide zusammen grundlegende Änderungen durchführen werden. Doch genau die braucht es, will man vermeiden, dass die Welt in den kommenden Monaten im Chaos versinkt.

Auch die Politiksysteme sind am Ende angekommen. In zahlreichen Ländern erleben wir gerade die Rückkehr zu einem dumpfen, anachronistischen Neonationalismus, in anderen Ländern werden gerade totalitäre Systeme mit Hilfe der neuen Technologien eingeführt und in wieder anderen Ländern wird inzwischen der Bürgerprotest nur noch von der Staatsgewalt niedergeknüppelt. Nur – das alles passiert in Ländern, die stolz von sich behaupten, „demokratisch“ zu sein. Aber kann eine Regierung, die gegen die Interessen ihrer Bevölkerung, sondern zum Nutzen einer Handvoll superreicher Aktionäre agiert, noch als „demokratisch“ bezeichnet werden? Angesichts schwacher Wahlbeteiligungen werden inzwischen Menschen in Ämter gespült, für die ihnen die demokratische Legitimation fehlt. Auch hier muss korrigiert werden, bevor unsere „Demokratien“ endgültig in die Hände von Menschen fallen, die alles andere als Demokraten sind.

Ob diese Fragen in der Nach-Corona-Phase diskutiert werden? Oder wird man erneut die KMUs sterben lassen, den Banken das Geld hinterher werfen und die Repressionsmaßnahmen verschärfen? Dreimal dürfen Sie raten…

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