Wohin mit dem Atommüll?

Die Suche nach einem Endlager für Atommüll – oder wie sich die Politik auf beiden Seiten des Rheins aus dem Staub macht.

Das Endlager in Morsleben (Sachsen-Anhalt) ist alles andere als ein endgültiges Endlager... Foto: Wusel007 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(Karl-Friedrich Bopp) – Seit rund sechs Jahrzehnten wird auf beiden Seiten des Rheins Strom durch Atomkraft produziert. Auf der rechten Rheinseite etwas weniger, auf der linken Rheinseite deutlich mehr. Und genauso lange dauert auch schon die Diskussion um den Müll, den diese Stromgewinnung produziert. Und eine Lösung ist noch lange nicht in Sicht.

Die Lage in Deutschland – In den 70er Jahren wurde politisch (vor)schnell eine Vorentscheidung getroffen. Gorleben wurde als Standort für ein Endlager bestimmt. Der dortige Salzstock würde alle Auflagen erfüllen, die an ein sicheres Endlager zu stellen seien. Aber die Bürger leisteten Widerstand. Die Proteste rissen nicht ab. Schließlich muss solch ein Lager bis zu einer Million Jahre sicher sein. Und die Bürger bekamen Recht. Es ging durch alle Medien. Seit 28. September 2020 steht Gorleben als Endlager für radioaktiven Müll nicht mehr in der Diskussion.

Aber irgendwo muss dieser Müll ja hin! Also beschloss der Bundestag bereits 2013, dass diese knifflige Frage von der Wissenschaft gelöst werden müsse. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung mit ihren beinahe 2000 Mitarbeitern soll es richten – rein nach geologischen Kriterien und was besonders wichtig ist – ohne jede politische Vorgabe.

In den Entscheidungsprozess sollen jetzt auch die Bürger eingebunden werden. Vor Ort soll Überzeugungsarbeit geleistet werden in der Hoffnung, so die Anwohner zur Zustimmung zu einem Endlager in ihrer Nähe zu bewegen. Neuester Zeitrahmen: Entscheidung über den geeigneten Standort bis 2031 mit geplanter Eröffnung des Endlagers im Jahre 2050. Sieht wieder mal eher nach zeitlicher Verschiebung der Problematik aus.

Die Situation in Frankreich – Zunächst gilt es festzustellen, dass Atomkraft generell weniger die öffentliche Diskussion bestimmt als in Deutschland. Was ihren Abfall betrifft, unterscheidet man zunächst feinfühlig zwischen „Atommaterial“ und „Atommüll“. Der Vorteil mit dem „Atommaterial“ ist, dass er keine Endlagerung braucht, denn es ist noch zur weiteren Verarbeitung vorgesehen.

In der Tat war die ursprüngliche Idee, den Bau der sogenannten 4. Generation von Atommeilern voranzutreiben. Sie würde erlauben, dieses Atommaterial sogar noch mehrfach nacheinander zu benutzen. Nur, das zuständige Atomenergiekommissariat entschied am 30. August 2019, dass mit dem Bau eines solchen Reaktors nicht vor dem Jahre 2050 zu rechnen sei.

Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace gefällt die feine Unterscheidung zwischen „Atommaterial“ und „Atommüll“ überhaupt nicht. Sie fordern, nur noch von Atommüll zu sprechen. Ein Gesetz aus dem Jahre 2016 erlaubt genau dies. Leider wurde bis heute dieses Gesetz nicht angewandt. Dazu kommt der finanzielle Aspekt. Würde der ganze radioaktive Abfall als Atommüll eingestuft, bräuchte man 18 Milliarden Euro zusätzlich, um geeignete Endlager für den plötzlich vom Volumen her wesentlich größer gewordenen Atommüll zu finden.

Auch in Frankreich wurde die Entscheidung getroffen, die Bürger in die Lösungssuche nach einem Endlager einzubeziehen. Mit Hilfe der nationalen Kommission für öffentliche Diskussion wurde auf Landesebene eine Debatte geführt, die bisher „zu häufig den Experten überlassen wurde“.

Diese Debatte wurde vom 7. April bis 25. September 2019 organisiert. 3400 Personen in 24 Städten nahmen daran teil. Die relativ geringe Anzahl an Teilnehmenden ist nicht gerade als Erfolg zu werten. Zusätzlich waren es häufig Spezialisten, die untereinander diskutierten. Für den Laien stellte sich das Thema als viel zu kompliziert heraus. Es ist daher fraglich, ob die vom Gesetz her vorgesehene Debatte alle drei Jahre wiederholt wird.

Somit steht auf beiden Seiten des Rheins nur eines fest. Die Zeit vergeht während der jeweilige Berg des Atommülls wächst. Die Entscheidung über ein Endlager des Atommülls zieht sich in beiden Ländern hin. Die Politik traut sich nicht (mehr), Standorte für die Endlagerung des Atommülls festzulegen. Die Wissenschaft und die (überforderten) Bürger sollen nun richten, was für die Menschheit gut sein soll – über den langen Zeitraum von einer Million Jahren.

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