Armut schändet

Der Chef des französischen Arbeitgeberverbands Medef, Pierre Gattaz, macht es seinem Präsidenten nach und stellt alle Arbeitslosen erst einmal unter Generalverdacht.

Für Arbeitgeberpräsident Gattaz und seinen Präsidenten Macron sind Arbeitslosen einfach nur Faulpelze. Foto: Copyleft / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Bricht die französische Gesellschaft nun vollends auseinander? Nach den Schimpftiraden des Präsidenten Emmanuel Macron gegen Arbeitslose und andere Faulpelze, setzt nun Arbeitgeberpräsident Pierre Gattaz noch einen drauf – in einer Pressekonferenz regte er „tägliche oder wöchentliche“ Kontrollen an, bei denen überprüft werden soll, ob sich die Arbeitslosen tatsächlich um einen Job kümmern. Andernfalls, na klar, drohen Kürzungen oder Streichungen der Unterstützung. In einem Land, das unter rund 10 % Arbeitslose (bei einer Jugendarbeitslosigkeit von rund 25 %) leidet, ist die Gleichsetzung „arbeitslos = arbeitsunwillig“ eine Unverschämtheit.

Vor der versammelten Presse dozierte Gattaz: „Die Arbeitslosenversicherung ist ein unverzichtbares Instrument, um Mitarbeiter in einer Übergangsphase abzusichern, aber das System muss als Anreiz zum Wiedereinstieg in die Arbeit und als Hilfe beim Finden einer neuen Stelle organisiert sein.“ Was er damit tatsächlich sagt, klingt ungefähr so: „Die Arbeitslosenversicherung ist ein unverzichtbares Instrument, um gefeuerten Arbeitslosen nicht etwa das Leben zu verschönern, sondern sie so lange vor dem Verhungern zu bewahren, bis sie einen neuen Job haben.“

Das klingt nicht nur nach Generalverdacht, sondern ist der Generalverdacht. Wer keinen Job hat oder entlassen wird, der will im Grunde gar nicht arbeiten, sondern sich auf Stütze einen lockeren Lenz machen. Sind die Arbeitgeber mittlerweile ebenso weit von den Realitäten ihrer Landsleute entfernt wie die hohe Politik?

Eine „tägliche oder wöchentliche“ Kontrolle von Arbeitslosen, das ist der Ausdruck der Verachtung und des Misstrauens gegenüber rund 3 Millionen Mitbürgern, die händeringend nach einem Job suchen, den die Arbeitgeber, denen Pierre Gattaz vorsteht, leider nicht schaffen.

Der Riss, der durch die französische Gesellschaft geht, wird immer tiefer. Und über allem schwebt die nicht ausgesprochene Aussage: „wer es nicht schafft, der ist selber schuld“. Nur – wem soll diese Diskriminierung der Schwächsten der Gesellschaft nützen? Bereits die Abschaffung der Steuern auf große Vermögen und die Senkung des Wohngelds zeigten deutlich auf, in welche Richtung ab sofort der Wind in Frankreich bläst.

Es sei denn, Pierre Gattaz verfolgt einen ganz anderen Plan. Denn um 3 Millionen Arbeitslosen täglich oder wöchentlich zu kontrollieren, benötigt man eine Armada von Mitarbeitern, die kontrollieren. Will Gattaz am Ende die Arbeitslosigkeit dadurch bekämpfen, dass er zahllose Arbeitsplätze in der Kontrolle der Arbeitslosen schafft? Arbeitsplätze, die trotz der 50 Milliarden Euro teuren Arbeitsmarktprogramme (die der damalige Wirtschaftsminister Emmanuel Macron aufgelegt hatte) nicht von den Arbeitgebern geschaffen werden?

Das Anhängen ganzer Bevölkerungsgruppen aus dem gesellschaftlichen Kontext hat noch nie zu etwas anderem geführt als der Radikalisierung. Es wäre sinnvoller, die Sozialpartner und die Politik würden gemeinsam einen Weg aus der Krise für die 10 % Arbeitslosen suchen und finden, statt diese einfach zum Sündenbock der Nation abzustempeln. Denn das kann sich schnell als Bumerang erweisen…

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