Coronavirus: Hat überhaupt jemand Recht?

Die letzten Verlautbarungen der französischen und deutschen Politik zum Management der Gesundheitskrise könnten nicht gegensätzlicher sein.

Das ist der einzige Punkt, auf den sich alle einigen können - es ist "Corona-Time"... Foto: Stolbovsky / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(Inès Tempel) – Während Bayern bereits zum zweiten Mal die Absage des berühmten Oktoberfestes im September und Oktober verkündete, erklärte der französische Gesundheitsminister Olivier Véran am Dienstag im Radio, dass er „wirklich hofft“, dass das Tragen von Masken im Freien in Frankreich „ab diesem Sommer nicht mehr obligatorisch sein wird“. Wenn Deutschland trotz einer leichten Verbesserung der Gesundheitssituation entscheidet, eines seiner emblematischsten und erfolgreichsten Feste abzusagen (ca. 1,4 Milliarden Euro Umsatz für den Tourismus in Bayern), freut sich Frankreich im Gegensatz dazu, dass das Land langsam, aber sicher die Epidemie unter Kontrolle bringt und die erste Phase der Lockerungen begonnen haben. Sollen die Beschränkungen also weiterhin bestehen bleiben oder sollen sie schrittweise aufgehoben werden? Jede dieser Entscheidungen ist auf ihre eigene Weise sinnvoll, aber ist eine davon besser oder sinnvoller als die andere?

Die Gesundheitssituation in Europa und weltweit bleibt mehr als kritisch, auch wenn einige Länder, wie z. B. Israel oder Großbritannien, stolz darauf sein können, dass bereits mehr als die Hälfte ihrer Bevölkerung vollständig geimpft ist. Das ist allerdings in Frankreich oder Deutschland nicht der Fall. Die kollektive Immunität ist auf beiden Seiten des Rheins noch lange nicht erreicht. Deutschland, das die sanitäre Situation noch für zu unsicher hält, um weitere Lockerungen zu organisieren, impft jedoch seit einigen Tagen doppelt so schnell wie der französische Nachbar.

Am 29. April hatten 26,7 % der deutschen Bevölkerung mindestens eine Dosis des Impfstoffs erhalten, während es in Frankreich 22,4 % waren. Dennoch hofft Frankreich, das offensichtlich Schwierigkeiten hat, die selbst definierten Impfziele zu erreichen, in diesem Sommer, wenn genügend Franzosen geimpft sind, praktisch alle Covid-Maßnahmen zu erlassen.

Offensichtlich will Deutschland lieber gar kein Risiko eingehen, während Frankreich, trotz einer offensichtlichen Verspätung in seinem Impfplan, ab sofort auf eine schrittweise Lockerung setzt und damit den Franzosen wieder Mut macht. Die Frage, die sich schon seit einem Jahr stellt, ist also dieselbe geblieben: Wie lässt sich gesundheitliche Vorsicht mit wirtschaftlichen und sozialen Fragen vereinbaren?

Was aber die Bevölkerung völlig verunsichert, ist die Frage, wer nun Recht hat. Deutschland mit der erwähnten Vorsicht oder Frankreich mit diesem unglaublichen Optimismus, nach dem im Sommer der ganze Spuk vorbei sein soll? Oder haben am Ende beide Unrecht?

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