Der Tanz auf dem Vulkan der „Querdenker“

Es ist unglaublich, dass es zum aktuellen Zeitpunkt Verwaltungen gibt, die Veranstaltungen der „Querdenker“ mit Tausenden Teilnehmern genehmigen.

"Querdenker", die darüber diskutieren, dass "Merkel weg muss"... Foto: Gaetano Gandolfi / Rijksmuseum / Wikimedia Commons / PD

(KL) – In vielen Städten kam es am Wochenende wieder zu Demonstrationen von „Querdenkern“ und deren Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern. Wie immer das gleiche Bild: Eine seltsame Mischung aus Esoterikern, Verschwörungstheoretikern, Merkel-muss-weg-Grölern, Reichsbürgern, Identitären, Endzeit-Jubilierern. Stuttgart ist seltsamerweise die Hochburg dieser Wirrköpfe, hier kamen am Samstag wieder über 10.000 dieser selbsternannten Weltenretter zusammen, wie immer und wie angekündigt, ohne Masken und ohne Abstand zu halten. Was bei solchen Zusammenkünften passiert, haben mehrere Universitäten bereits untersucht.

Man kann das Gegreine inzwischen nicht mehr hören. „Sie haben den Rechtsstaat / die Demokratie / die Meinungsfreiheit abgeschafft“. Sie, das ist für die „Querdenker“ eine internationale Verschwörung pädophiler Milliardäre, der Pharmaindustrie, Bill Gates oder für den einen oder anderen Hohlkopf auch des Weltjudentums. Die einzigen, die weder Demokratie noch Rechtsstaat respektieren, sind die „Querdenker“. Man könnte den einen oder anderen Punkt sogar mit ihnen diskutieren, denn das Management der Pandemie in Deutschland ist wirklich ziemlich mau – aber das würde voraussetzen, sie würden sich an die über demokratische Prozesse beschlossenen Regeln halten. Und die besagen momentan, dass man Gesichtsmasken trägt, Abstand hält und soziale Kontakte vermeidet. Und wer sich nicht an diese allgemein akzeptierten Regeln hält, der scheidet als Diskussionsteilnehmer von vornherein aus.

Dass es einen Bruchteil der Bevölkerung gibt, der im Verlauf dieser Pandemie mental massiv abbaut, das gibt es in allen Ländern. Nur gibt es wenig Länder, die sich mit einer solchen Engelsgeduld von diesen Leuten vorführen lassen. Wir durchqueren gerade die schlimmste Pandemie seit über 100 Jahren, Weltgesundheit und -Wirtschaft sind ernsthaft gefährdet und eine Handvoll verantwortungsloser Verwirrter nimmt sich das Recht heraus, sich und andere in einer Weise zu gefährden, die bei Einzelpersonen normalerweise bestraft, im Rudel aber offenbar geduldet wird?

Die Veranstaltung in Stuttgart, die xte „Querdenker“-Veranstaltung, die in der Absicht organisiert wurde, dass sich die Teilnehmer über die Regeln hinwegsetzen, mit denen wir seit über einem Jahr versuchen, die Ausbreitung eines tödlichen Virus zu verlangsamen, ist von der Stadt Stuttgart genehmigt worden. Ob man in Stuttgart schon einmal etwas von den „Querdenkern“ gehört hat, die in der Hauptstadt des „Ländle“ seit geraumer Zeit ihre Zentrale haben? Hat man in der Stuttgarter Verwaltung von den Demonstrationen der „Querdenker“ in Berlin und Leipzig gehört? Und dann wird so eine Zusammenkunft genehmigt?!

Die Polizei spielte auch keine rühmliche Rolle. Stark unterbesetzt schauten die Beamten dem Treiben weitgehend zu, räumten eine Fahrradblockade von Gegendemonstranten und ließen die „Querdenker“ mehr oder weniger gewähren. Man habe befürchtet, so ein Polizeisprecher, dass ein Eingreifen noch mehr Leute zu der Demonstration locken würde.

Würden diese Leute lediglich sich selbst gefährden, dann könnte man dieses hahnebüchene Verhalten noch mit einem Schulterzucken hinnehmen. Aber sie gefährden eben auch andere und das ist im Grunde kriminell. Niemand kann heute argumentieren, er oder sie hätte nichts von der Präsenz und Ausbreitung dieses Virus gehört. Der dann wissentlich und aktiv zur Verbreitung dieses Virus beiträgt, macht sich ebenso strafbar wie ein HIV-Infizierter, der wissentlich Sexualpartner ansteckt.

Bis diese Pandemie irgendwann mal im Griff ist, sollten die Verwaltungen und Gerichte die „Querdenker“-Veranstaltungen nicht mehr genehmigen. Die Erfahrung der letzten Monaten hat gezeigt, dass fester Bestandteil dieser Demonstrationen der Verstoß gegen die Corona-Verordnungen ist, weswegen ein Verbot unbedingt in Erwägung gezogen werden muss.

Man kann über diese „Querdenker“ nur noch den Kopf schütteln. Eine Lehrerin traf es in einem Tweet an die Stuttgarter Polizei auf den Punkt: „Wie soll ich meinen SchülerInnen erklären, dass sie einen Strafzettel bekommen, wenn sie sich mit drei Freunden treffen, aber Tausende Leute ohne Masken und Abstand durch die Stadt ziehen können, ohne dass die Polizei eingreift?“

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