Die Feuerwehr in Frankreich mag nicht mehr

Am Freitag demonstrierten rund 1000 elsässische Feuerwehrleute gegen die ständigen Angriffe, denen sie ausgesetzt sind. In der Nacht zum Sonntag kam es dann gleich zum nächsten Zwischenfall.

Den Feuerwehrleuten langt es - sie wollen Leben retten und nicht um ihr eigenes fürchten müssen. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Sie haben die Nase voll und das ist nachvollziehbar. Seit geraumer Zeit sind französische Feuerwehrleute und Rettungskräfte Zielscheibe gewalttätiger Angriffe und sie geraten immer häufiger in organisierte Fallen. Hierbei zünden kriminelle Banden in den Problemvierteln Autos und Müllbehälter an und sobald die Feuerwehr eintrifft, wird diese mit Steinen und anderen Projektilen beworfen. Dass es dabei bislang „nur“ zu Verletzten und noch nicht zu Toten gekommen ist, ist reiner Zufall.

Die Forderung der Feuerwehrleute ist genauso verständlich wie unmöglich umzusetzen – sie fordern Polizeischutz für Einsätze in diesen Vierteln, in denen die Lebensretter ihres Lebens nicht mehr sicher sein können. Nur – hierfür gibt es schlicht kein Personal, schon gar nicht in Frankreich, wo eine völlig überforderte Polizei bei den fast täglichen Demonstrationen permanent Überstunden sammelt.

Angesichts der Tatsache, dass auch in Frankreich die Mehrheit der Feuerwehrleute zur Freiwilligen Feuerwehr gehören, könnte es gut passieren, dass immer mehr Feuerwehrleute von ihrem Engagement zurücktreten – wer ist schon gerne freiwillige unterwegs, um sein Leben zu riskieren, um das von Dritten zu retten?

Ja, aber bei euch in Deutschland ist das ja auch ein Thema, hält man in Frankreich gerne dagegen. Stimmt, auch in Deutschland gab es im Jahr 2018 (die Zahlen für 2019 liegen noch nicht vor) 1.745 Übergriffe auf Feuerwehrleute und Rettungskräfte. Doch es lohnt sich genauer hinzuschauen, um den Unterschied zu erkennen. Die in Deutschland registrierten Übergriffe finden zumeist an Absperrungen bei Unfällen oder Demonstrationen statt; was die Rettungssanitäter angeht, handelt es sich zumeist um volltrunkene Personen, die nicht mehr begreifen, dass die Sanitäter da sind, um ihnen zu helfen und daher aggressiv reagieren. Nur – regelrecht organisierte Überfälle auf Feuerwehr und Rettungskräfte gibt es in dieser Form zum Glück noch nicht in Deutschland.

Und wie will Frankreich aus diesem Chaos wieder herauskommen? Die Kluft, die zwischen den Vorstädten und dem Rest der Gesellschaft entstanden ist, kann kaum mehr überbrückt werden. In diesen Vorstädten, den „Cités“ sind rechtsfreie Räume entstanden, in denen die Staatsgewalt nicht mehr verloren hat. Die Polizeiposten in diesen Vorstädten schließen zumeist bei Einbruch der Dunkelheit und werden mit schweren Rollgittern geschützt – Patrouillen sind hier meistens nachts nicht mehr unterwegs. Zu gefährlich. Die Angriffe auf Feuerwehr und Krankenwagen sind dabei eher so etwas wie ein „Nebenprodukt“ – die Angriffe gelten ganz allgemein dem Staat und dessen Vertretern. Alles, was eine Uniform trägt, wird als „Feind“ in diesen Vorstädten identifiziert.

Frankreich versinkt gerade im Chaos, in sozialen und gesellschaftlichen Konflikten, die nicht länger kaschiert werden können. Die Reformen, die dringend nötig wären, um ein wenig soziale Gerechtigkeit herzustellen, werden nicht durchgeführt, zumal es der aktuellen Regierung (ebenso wie den Vorgängerregierungen) in erster Linie darum geht, ihren eigenen Freunden und Unterstützern bei diesen Reformen ein möglichst großes Stück vom Kuchen zukommen zu lassen.

Die Angriffe auf Feuerwehrleute und Rettungskräfte sind nicht das Problem, sondern der Ausdruck eines viel tiefer liegenden Problems – die Gräben zwischen den sozialen Schichten in Frankreich sind zu tief geworden, die Oberschicht hat sich zu lange auf Kosten der Unterschicht bedient und nun ist das Fass übergelaufen. Lösungen sind nicht in Sicht – denn es fehlt das Problembewusstsein. Die Randalierer einfach als Randalierer zu bezeichnen, das reicht nicht mehr aus. Natürlich rechtfertigt nichts diese Übergriffe, doch muss man sich auch in Frankreich die Frage stellen, wie viel soziale Gewalt das Land eigentlich noch aushalten kann.

Eines ist jedoch bereits heute klar – die aktuelle Regierung ist nicht in der Lage, das Land zu reformieren oder auch nur zu befrieden. Die neoliberale Bankiers-Clique des Präsidenten Macron zeigt keinerlei Verständnis für die Situation, rechtfertigt die nicht mehr zu rechtfertigende Polizeigewalt bei den Demonstrationen, sorgt vor allem dafür, dass es den oberen 10.000 gut geht. Politische Alternativen sind nicht in Sicht. Frankreich wird sich auf lang anhaltende Sozialkämpfe einstellen müssen – und dabei stehen wir gerade erst am Anfang dieser bedenklichen Entwicklung.

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