Die „Gelbwesten“ ändern ihre Taktik

Nach 28 „Akten“ ist den „Gelbwesten“ die Puste ausgegangen. Da es inzwischen nur noch um die samstägliche Randale geht, implodiert das, was eine soziale Bewegung hätte werden können.

Der "Think Tank" der Gelbwesten auf dem Weg zur nächsten Strategiesitzung... Foto: (c) Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Es war ruhig am Samstag in Straßburg, verdächtig ruhig. Keine angetrunkenen „Gelbwesten“, die grölend durch die Straßen zogen, keine Polizeitruppen in der Innenstadt, keine Ausfälle der Tram, es war ein Samstag ohne „Akt 28“ in Straßburg. Dabei war für den Samstag großmäulig das „Ultimatum 3“ angekündigt, nachdem es mit der „europäischen Mobilisierung“, dann mit der „weltweiten Mobilisierung“, einem „Generalstreik“ und „Ultimatum 1 + 2“ nicht so richtig hingehauen hatte – den „Gelbwesten“ ist die Luft ausgegangen. Und daran sind sie selber schuld.

Dabei hat diese Bewegung durchaus etwas Historisches an sich gehabt. Nicht nur, dass sie seit dem 17. November und dem Beginn dieser sozialen Unruhen die französische Regierung veranlasst haben, fast 20 Milliarden Euro in den sozialen Bereich zu pumpen, dazu hatten die „Gelbwesten“ eine soziale Debatte in Frankreich losgetreten, der sich niemand entziehen konnte. Doch genau in dem Moment, in dem diese Bewegung zu einem echten Akteur des sozialen Wandels hätte werden können, implodierte sie. Angeführt von „Führern“, deren Eitelkeit und Mediengeilheit deutlich ausgeprägter als ihr politisches Geschick war, liefen die „Gelbwesten“ in die Falle, die ihr die rechts- und linksextremistischen Kräfte gestellt hatten, die von Angang an versuchten, die allgemeine Unzufriedenheit für ihre Zwecke zu nutzen.

Es war die Revolution der Mittelmäßigkeit, deren sinnlose Gewaltorgien 28 Samstage lang die Franzosen davon überzeugten, dass mit diesen „Gelbwesten“ leider perspektivisch nichts anzufangen sei. Drouet, Night Flyer, Rodriguez, Chalençon – eine Bewegung, die sich solche seltsamen Figuren als Anführer aussucht, hatte von vornherein keine Chance.

Die soziale Debatte ist in Frankreich in vollem Gange, doch die „Gelbwesten“ haben das noch nicht so richtig mitbekommen. Und dazu machen die samstäglichen Spaziergänge (mit Prügeleien mit der Polizei und bei schönem Wetter Plünderungen der Geschäfte) auch viel zu viel Spaß. Da wird getrunken, gesungen, gelacht, ab und zu mal ein Auto angezündet oder eine Rangelei mit der Polizei angezettelt und das ganze mit einem wunderbaren Gemeinschaftsgefühl. Das war denn auch ein halbes Jahr das Erfolgsrezept der „Gelbwesten“ – mit einer gelben Weste konnte man rülpsen, pöbeln, prügeln, mit den Kumpels vom Verkehrskreisel und das ging dann sogar noch als „politische Meinungsäußerung“ durch. Toll. Das machte vielen Freude, die ohnehin nichts anderes zu tun hatten und die plötzlich von jeder Seite Kameras und Mikrophone vor die Nase gehalten bekamen und dann allen möglichen Blödsinn landesweit in die Livesendungen brabbeln konnten.

Den „Gelbwesten“ geht nun endgültig die Puste aus und Frankreich hat die Nase voll von diesen großmäuligen Drohungen gegen den Staat, von der Weigerung der „Gelbwesten“, positiv an einer soziale Veränderung Frankreichs mitzuwirken, von den samstäglichen Orgien der Gewalt, von dieser Unfähigkeit, mit dem Rest Frankreichs zu kommunizieren.

Der Fehler der „Gelbwesten“ lag tatsächlich in der Weigerung, sich zu strukturieren und in einen intelligenten Dialog mit dem Rest Frankreichs zu treten. Das war ziemlich dämlich von den „Gelbwesten“, denn zu Beginn dieser Unruhen waren bis zu drei Viertel der Franzosen bereit, sich ernsthaft mit den sozialen Forderungen der „Gelbwesten“ (doch, doch, die gab es zu Beginn!) auseinanderzusetzen und diese zu unterstützen. Vor der Wahl „Randale oder sozialer Dialog“ wählten die selbsternannten „Führer“ dieser Bewegung die Randale. Und disqualifizierten damit sich und ihre ganze Bewegung für alles, was danach folgte.

Man wird sich noch lange an die „Gelbwesten“ erinnern. Die längsten sozialen Unruhen in der V. Republik waren wohl auch die dämlichste Bewegung, die Frankreich je erlebt hat. Dass eine Bewegung, die mit ihrer Unorganisiertheit kokettiert und für die jeder suspekt ist, der zwei Sätze fehlerfrei schreiben oder sprechen kann, langfristig keine Chance hat, ist klar. Zum Glück. Es sei denn, dass man künftig die Geschicke des Landes mit einer Pulle Bier in der Hand am Würstchen-Grill lenken lassen will. Die Franzosen haben sich entschieden – für den sozialen Dialog (so schwierig der auch ist) und gegen die Revolution der Verkehrskreisel.

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