Die neue ostfranzösische Großregion ist geboren

Die französische Nationalversammlung beschließt wie erwartet die Einrichtung von 13 neuen Großregionen - mit der Region Elsass-Lothringen-Champagne-Ardenne.

Es ist entschieden - so (in Gelb) sieht die neue ostfranzösische Großregion aus. Mehr eine Chance als ein Todesurteil... Foto: © Ministère de l'Intérieur

(KL) – Weder das Kirchturmgebimmel, noch die Feuerwehrsirenen haben etwas genützt – in dritter Lesung verabschiedete die französische Nationalversammlung das Gesetz zur Neuordnung der französischen Regionen – aus bislang 22 Regionen werden nun 13 – und die Hoffnungen mancher Elsässer, dass es doch noch eine eigenständige Region Elsass geben möge, haben sich zerschlagen.

Zwar kündigten die konservativen elsässischen Abgeordneten in der Nationalversammlung gleich nach der Abstimmung an, die Gebietsreform nach einem eventuellen Wahlsieg 2017 gleich wieder einkassieren zu wollen, doch bis 2017 werden noch zwei Jahre vergehen, in denen alle Gelegenheit haben werden, sich an die neue Verwaltungsstruktur zu gewöhnen.

Denn, auch wenn das viele im Elsass nicht gerne hören, diese Gebietsreform ist mehr eine Chance als ein Weltuntergang. Es ist nur eben ungewohnt, künftig mit Regionen zusammenzuarbeiten, die ziemlich weit hinter den Vogesen liegen. Doch die Welt hört nicht an den Vogesen auf, genauso wenig wie am Rhein. Und darin liegt doch eigentlich der Sinn einer Struktur, in der es für die lokalen Belange das Departement gibt, für die regionalen Belange eine Region und für die große Politik die nationale Regierung. In Deutschland ist es ja nicht viel anders – da haben wir die Kreise für die lokalen Belange, die Länder für die regionalen Themen und eine Bundesregierung. Daran ist noch keine regionale Kultur zerbrochen, denn darum geht es bei einer Verwaltungsreform gar nicht.

Immerhin wird die Debatte um diese Reform schon mal eines gebracht haben – alle Welt konnte deutlich sehen, was es im Elsass noch für autonomistische Bestrebungen gibt und wie groß die Nähe zwischen konservativen Kreisen und diesen Autonomisten ist, deren “Elsass frei!” noch lange nachhallen wird.

Gleichzeitig sollte man die Kirche im Dorf lassen. Das, was gerne als „Volksbewegung“ verkauft wurde, waren Demonstrationen, die nur einen ganz geringen Bruchteil der Elsässer auf die Straße trieben. Wenn 2500 Trachten tragende und Sprüche schwingende Elsässer Autonomisten auf die Straße gehen, dann hat das eher etwas von Folklore als von einer „Volksbewegung“. Wohin genau Menschen wollen, die „Elsass frei!“ skandieren, ist allerdings noch etwas rätselhaft. „Frei“ wovon? Vom jakobinischen Frankreich? Von Lothringen und der Champagne-Ardenne? Von den Sorgen des Alltags? Wollen diese Leute tatsächlich ein “freies Elsass”, eingequetscht zwischen Frankreich und Deutschland, so wie Liechtenstein zwischen Österreich und der Schweiz eingeklemmt ist? Wissen diese Verfechter eines freien Elsass überhaupt so genau, was sie wollen?

Jetzt beginnt die Zeit, in der man (schon etwas verspätet…) beginnen muss, die Zukunft vorzubereiten. Da haben der Straßburger OB Roland Ries und der Präsident der neuen Eurometropole Robert Herrmann, von denen bekannt ist, dass sie auch keine Fans der neuen Großregion sind, völlig Recht – „Jetzt müssen wir eben lernen, optimal mit den anderen zusammen zu arbeiten“, erklärten beide nach der letzten Abstimmung im französischen Parlament. Recht haben sie!

Die neue Konfiguration der Regionen bietet die gleichen Chancen wie die Schaffung der Bundesländer nach dem II. Weltkrieg in Deutschland. Und birgt, anders als die Autonomisten im Elsass lautstark verkündeten, keinerlei Gefahr für die „elsässische Identität“, im Gegenteil.

Der Blick über die Grenzen sollte die Elsässer beruhigen. Da sie offenbar das schon mehrfach zitierte Beispiel von Baden und Württemberg nicht sehen und verstehen wollen, verlängern wir die Liste eben. In Bayern sind verwaltungstechnisch so unterschiedliche Unterregionen wie Franken und Oberbayern vereint – was nicht dazu geführt hat, dass diese Regionen ihre Identität oder Kultur verloren hätten. Oder nehmen Sie Schleswig-Holstein, wo Angeln, Dithmarscher, Ostsee-Anrainer und andere sich prima gemeinsam verwalten und dabei fröhlich ihre regionale Kultur und oft auch Sprache pflegen. Das Bundesland Niedersachsen vereint auf Verwaltungsebene so unterschiedliche Regionen wie Ostfriesland, die Lüneburger Heide oder sogar die Nordseeinsel Helgoland – niemand käme auf die abstruse Idee, die Identität und Kultur dieser hübschen Landstriche in Frage zu stellen.

Die Haupttriebfeder der Proteste in den letzten Monaten war eine Art verletzter Nationalstolz unter den Elsässer Autonomisten, auf den man allerdings keine Rücksicht nehmen sollte. Denn diese Gruppierungen, die Rechtsextremisten nahe stehen und von denen einige gerne das Rad der Geschichte zurückdrehen würden, sollten ohnehin nicht allzu viel Einfluss bekommen. Dazu gesellten sich etliche Lokalfürsten, die, nachdem sie noch vor Jahresfrist das Referendum zur Zusammenlegung der elsässischen Verwaltungen sabotiert hatten, plötzlich lautstark ein genau solches Referendum forderten, vermutlich eher aus Angst um ihre eigenen Pöstchen als aus politischer Überzeugung.

Zum Glück ist das Blut der Elsässer ein wenig kühler als der Basken – es steht nicht zu befürchten, dass eine Art “elsässische ETA” entsteht. Eine organisierte „Elsässische Befreiungsfront“ würde aber auch im Elsass keine breite Unterstützung finden. Also müssen sich auch eingefleischte Ewiggestrige nun den Tatsachen stellen – und das sollten sie lieber schnell machen, bevor die neuen regionalen Partner des Elsass die Organisation dieser neuen ostfranzösischen Großregion ohne das Zutun des Elsass in die Hand nehmen. Um sich in die Ecke zu setzen und zu schmollen, dafür ist keine Zeit – jetzt heißt es, mit positiver Einstellung die Zukunft Ostfrankreichs so zu organisieren, dass alle etwas davon haben. Da wartet dann genug Arbeit auf alle.

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