Embedded. Ausgangssperre, Tag 25. Brot und Spiele.

Langeweile. Gähnende Langeweile. Ein Viertelhundert Tage eingeschlossen sein. Zum Glück bald wieder gesund. Und der Stundenzeiger auf der Uhr bewegt sich immer langsamer.

Wie viele Vierecke finden Sie auf diesem Bild? Sie haben 6 Stunden Zeit dafür... Foto: ZeroOne / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Gestern war wohl der seltsamste Karfreitag, den wir je erlebt haben. Tag 25 war, zumindest für die alleine Konfinierten (wieso haben wir eigentlich kein griffiges Wort dafür im Deutschen?), ein ganz normaler Tag des Eingeschlossenseins. Wie Tag 24. Oder Tag 19. Oder Tag 32. Draußen ist es es still. Ab und zu eine Sirene. Oder Kirchenglocken. Die Zeit tropft herunter wie auf einem Dali-Bild. Immerhin, ich werde gerade wieder gesund. Langsam, aber sicher. Und die Menschen versuchen sich die Zeit zu vertreiben, wie sie es gerade können.

In den letzten Wochen haben wir alles gemacht. Wir haben in den sozialen Netzwerken unsere Kinderfotos geteilt. Wie süüüüß. Dann haben wir Assoziationsspiele gespielt. Die Worte mussten immer mit dem gleichen Buchstaben anfangen. Dann haben wir wieder Fotos geteilt, wobei dieses Mal irgendetwas in Orange auf dem Photo sein musste und man mindestens 246 Bekannte taggen musste, damit dieses das auch tun. Ansonsten, so die finstere Drohung, würde die Welt untergehen. Oder sonst was Schlimmes passieren. Dann haben wir in Suchbildern Drei- und Vierecke gesucht. Je nachdem, wie viele der geometrischen Formen wir gefunden haben, erhielten wir eine Kurzanalyse unserer Persönlichkeit. „Kai, du hast 12 Vierecke gefunden. Du hast eine bestimmende Persönlichkeit und fährst im Sommer gerne in Urlaub.“ Aha. Dann wieder Fotos. Strand, Berge, Blumen. Dazwischen Katzen, Katzen, Katzen. Wie süüüüß.

Wieder andere haben begonnen (und leider damit auch weitergemacht) Fotos von ihren Fressgelagen und Grillorgien in ihren weitläufigen Privatparks zu veröffentlichen. Das allerdings wird langsam peinlich, in einer Zeit, in der sich bereits immer mehr Menschen nicht mehr vernünftig ernähren können. Obst und Gemüse kosten in den kleinen Lebensmittelgeschäften inzwischen ein Vermögen. 4 Bananen 11 Euro. Das kann sich nicht jeder leisten. Und es hat auch nicht jeder einen Garten, in dem problemlos ein Fußballspiel stattfinden könnte. Dabei geht es nicht um Sozialneid, ich gönne jedem seinen Park und freue mich, dass es noch Menschen gibt, die sich auch an Tag 25 mittags zwei Kilo T-Bone-Steak auf den Grill packen können. Es ist nur so, dass es auch viele Menschen gibt, die seit einem Viertelhundert Tagen in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung ausharren müssen und zumeist Sandwiches oder Dosenfutter zu sich nehmen müssen. Für die ist der Anblick eines solchen Eingesperrtseins im Grünen eher eine Belastung. Weil sie eben nicht an der frischen Luft herumtollen und sich ein Megasteak ‘reinziehen können. Vorschlag an die Privatparkbesitzer: Genießt euer Urlaubs-Eingeschlossensein, haut euch die besten Steaks hinter die Kiemen, spült das Ganze mit einem Chateau Laffite 1979 herunter, aber tut das bitte, ohne die ganze Welt daran teilhaben zu lassen. Dann lieber Katzenbilder, ok?

Mitten in den Leerlauf der Stadt wurde am Karfreitag noch einmal ein Gang herunter geschaltet. Ich wusste gar nicht, dass das noch geht. Geht aber. Jetzt kommt das Osterwochenende. Heute, am Ostersamstag, werden letzte verzweifelte Einkäufe für das lange Wochenende getätigt. Die Schlangen vor den Supermärkten werden sehr, sehr lang werden. Ich kann das ganz entspannt angehen. Mein Vermögen besteht noch aus 12 Klopapierrollen und somit kann ich der Zukunft beruhigt ins Auge schauen. Und wieder anfangen, in Puzzles nach Dreiecken zu fahnden. Tag 25, Die Zeit kriecht durch den Raum. Wir spielen.

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