Frankreich bietet an, deutsche Intensiv-Patienten zu übernehmen

Die Situation ist genau umgekehrt im Vergleich zu den ersten „Wellen“. Angesichts der angespannten Lage in Deutschland bietet Frankreich an, deutsche Patienten zu übernehmen.

Das Elsass bietet an, deutsche Intensivpatienten aufzunehmen und zu behandeln. Dafür ein Mega-Dankeschön! Foto: Serge Serebro, Vitebsk Popular News / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Das Angebot aus dem Elsass ist sehr großzügig. Angesichts der Engpässe in deutschen und insbesondere baden-württembergischen Krankenhäusern bietet das Elsass an, Intensiv-Patienten aus Deutschland in elsässischen Krankenhäusern zu übernehmen. Ebenso, wie in der ersten Welle deutsche Krankenhäuser ohne großen administrativen Aufwand Patienten aus dem Elsass und anderen französischen Regionen aufgenommen und versorgt hatten, bieten nun die Franzosen ihre Hilfe an. Dafür einen herzlichen Dank. Aber sofort schließt sich die Frage an, wieso die deutsch-französische Zusammenarbeit in Krisenfällen wie der aktuellen Pandemie nicht strukturiert und organisiert ist.

Deutschland und Frankreich sind im allgemeinen Sprachgebrauch der „Motor Europas“. Doch in der nun seit zwei Jahren andauernden Pandemie, die zuletzt immer heftiger wird, zeigt sich, dass wir dringend eine ganz andere, grenzüberschreitende Abstimmung und Zusammenarbeit brauchen, denn die deutsch-französischen Beziehungen dürfen sich nicht auf Schön-Wetter-Büffets der Lokalpolitik beschränken.

Gleich mehrere Fragen stellen sich:

• Warum gibt es für solche Krisensituationen keinen deutsch-französischen, idealerweise deutsch-französisch-schweizerischen Krisenstab?

• Warum gibt es für solche Krisensituationen keine gemeinsame Nutzung aller Krankenhaus-Ressourcen, mit der verhindert werden kann, dass einige Krankenhäuser am Oberrhein unter dem Patientenansturm zusammenbrechen, während es in anderen Krankenhäusern freie Kapazitäten gibt?

• Warum gibt es keine politische Abstimmung zwischen den Unterregionen des Oberrheins in Baden, im Elsass und in der Nord-West-Schweiz, die erlauben würde, Maßnahmen zu koordinieren und zu harmonisieren?

• Warum gibt es noch nicht einmal grenzüberschreitende Beratungen über ein gemeinsames Vorgehen in Situationen wie heute?

In einer Krisensituation wie heute, die nun bereits seit zwei Jahren andauert und deren Ende nicht absehbar ist, reicht der Hinweis auf „Zuständigkeiten“, „Verwaltungshürden“ oder „Versicherungsfragen“ nicht mehr aus. Wenn es Hindernisse gibt, die uns in unseren drei Ländern davon abhalten, das Richtige zu tun, dann kann es nicht die Aufgabe sein, „Mini-Lösungen“ an diesen Hindernissen vorbei zu organisieren, sondern dann müssen diese Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.

In den letzten Jahren haben die französische und die deutsche Regierung zahlreiche Instrumente geschaffen, mit denen genau diese grenzüberschreitenden Strukturen, Arbeitsgruppen, Komitees eingerichtet werden könnten. Bereits der „Aachener Vertrag“ sieht vor, dass die Länder auch außerhalb bestehender Gesetzestexte agieren können, wenn diese nicht kompatibel sind und ein solches Vorgehen einem gemeinsamen Zweck dient. Inzwischen gibt es ein „Deutsch-Französisches Parlament“ (das offiziell „Deutsch-Französische parlamentarische Versammlung“ heißt), in dem jeweils 50 Abgeordnete aus beiden Ländern sitzen. Dazu wurde ein „Deutsch-Französisches Sekretariat“ in Kehl eingerichtet, das die Umsetzung der im „Deutsch-Französischen Parlament“ beschlossenen Projekte begleiten und überwachen soll. Dazu gibt es zahlreiche deutsch-französische Einrichtungen, die sich seit Jahren mit diesen Fragen beschäftigen, aber in dieser Situation genauso unsichtbar sind wie die „hohe Politik“. Nur – was nützen alle diese Einrichtungen, Instrumente, Möglichkeiten, wenn sie in echten Krisensituationen wie heute nicht funktionieren?

Während des ersten Lockdowns wurden Patienten aus dem Elsass in badische Krankenhäuser verlegt. Als dies vor den Augen der Öffentlichkeit passierte und entsprechend (und zu Recht) beklatscht wurde, ahnte niemand, dass diese Verlegung von Patienten bereits seit Wochen lief, organisiert zwischen Ärzten aus badischen und elsässischen Krankenhäusern, die sich kannten und in der damaligen Notsituation sofort handelten. Damals liefen die ersten Verlegungen unter größter Geheimhaltung, denn die beteiligten Ärzte befürchteten, dass sie wegen des fehlenden Rechts- und Versicherungs-Rahmens Ärger bekommen könnten.

Klar – ein großes Dankeschön an das Elsass, das den deutschen Patienten in dieser Notlage hilft. Aber irgendwann wird man klären müssen, warum die deutsch-französische Zusammenarbeit ausgerechnet dann nicht klappt, wenn man sie am dringendsten braucht. Und danach wird es höchste Zeit, diejenigen Strukturen und Prozesse aufzubauen und einzuführen, die man braucht, um solche Krisensituationen gemeinsam zu meistern.

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