Funkeln, Glitzern und Flackern auf Französisch

Die Straßburger Philharmonie OPS versucht sich darin, Bilder als Musik sichtbar zu machen – allerdings steht ihr dazu Claude Debussy, der große Tonmaler, mit seiner Komposition „Images“ zur Seite. Und eine Woche später noch ein Filmmusiker aus Japan.

Selbst schon fast ein wuchtiges "Image", der Konzertsaal der Straßburger Philharmonie. Foto: © Michael Magercord

(Michael Magercord) – Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Nach der Rückkehr wird auch die Reise zur Erinnerung, was bleibt, sind Nachbilder vom Gewesenen, aus denen sich die Erzählungen speisen. Was aber gäbe es zu sagen, wenn dieser jemand seine Reise nur in seiner Vorstellung unternommen hatte und trotzdem davon erzählen will? Dann macht er es wie der Komponist Claude Debussy, dessen fiktiven Reiseerinnerungen nicht aus Bildern bestehen, sondern aus Tönen und Melodien – und fast wirkt diese Tonmalerei nachhaltiger als so manche Reisebeschreibung. Und wer hatte das nicht schon einmal erlebt, dass die komplexe Realität vor Ort einem gelungenen Abbild schließlich im Wege steht?

„Images“ hatte Claude Debussy seine viel gespielten Klavierzyklus mit kurzen Impressionen über Wasserspiegelungen bei Regen, schillernde Goldfische oder Lichtbrechungen auf der Fassade einer Kathedrale benannt. Mit demselben Titel überschrieb er ein fünfsätziges Orchesterstück, das seine Zuhörer von einer Reise nach England, Spanien und Südfrankreich erzählen will, die der Komponist nur in seiner Phantasie unternommen hat. Nie war der eigentlich sehr reisefaule Musiker in Spanien und erst viel später in England, und doch sollte seine Musik seine Zuhörer auf die Landstraßen von Katalonien und die engen Gassen von Grenada oder durch eine ländliche Grafschaft Englands führen. Versatzstücke aus de Folklore helfen ihm dabei, eine lebendige visuelle Vorstellung beim Zuhörer – oder sollte man sagen: Zuschauer? – hervorzurufen.

Das Programmheft zur Uraufführung 1913 versprach „wirkliche Bilder, wo sich der Musiker bemüht, für das Ohr die Eindrücke des Auges zu übersetzen“. Die ungewohnte und komplizierte Taktstruktur sollte wie eine Zeichenfeder über das Papier streichen: „Die Melodie mit ihren unendlich vielen Rhythmen entspricht den vielfältigen Strichen einer Zeichnung“. Und schließlich wird mit dem „Zusammenprall von unvorhersehbaren Dissonanzen und der Mischung von seltenen Klangfarben die Feder zwischen seinen Fingern ein Pinsel”. Der Komponist sah in der Tonmalerei einen entscheidenden Vorteil, die das Zeichnen auf der Leinwand nicht hatte: Ein Musikstück existiert nämlich in der Zeit und kann so sogar einen komplexen Wahrnehmungsprozess beschreiben, was ein unbewegliches Bild an der Wand eben nicht könne.

Schon wenig später riefen die Surrealisten sowieso zu einer subrealen Wahrnehmung der Welt auf und spielten in ihren Bildern und Texten mit der ohnehin nur übersinnlichen Erfassungsfähigkeit unserer doch so komplexen Lebensrealität. Egal also, ob wir wirklich irgendwo waren oder nur im Geiste: einzig aus Zufall – so André Breton – kann unsere Beschreibung von Wirklichkeit auch mal „objektiv“, also auch unabhängig unserer eigenen Wahrnehmung richtig gewesen sein.

Das erste Werk des Konzertabends ist quasi ein direkter Vorläufer zur Tonmalerei: Bizet führt uns musikalisch in die Provence. Das zweite Werk wiederum treibt den Objektivismus des Zufalls auf die Spitze: Der zeitgenössische Komponist Henri Tomasi sieht in seinem Konzert für Trompete „Musik pur“. Denn diese Musik habe kein Thema mehr, kein Leitmotiv, sie soll nämlich in einer Synthese aller Formen des Trompetenspiels von Bach bis zum Jazz münden. Ob sich bei dieser Art der fast schon abstrakten Tonmalerei noch ein Bild einstellen oder gar ein Wahrnehmungsprozess sichtbar wird?

Claude Debussy jedenfalls war – ohne es jemals gewesen zu sein – ein Wegbereiter der Filmmusik. Und so schließt auch das nächste Konzert des OPS am 4. Mai fast schon folgerichtig an diesen Konzertabend an. Denn dann wird der japanische Altmeister der Filmmusik, der 71-jährige Joe Hisaishi, seine eigenen Werke dirigieren, die uns in die Welt der japanischen Prinzessinnen verführen sollen.

Schon vorab gesagt: Filmmusik formt nicht erst ein Bild, sondern sie malt geformte Bilder nur noch aus. Beim gestandenen Filmmusiker geht es so manches Mal doch etwas schwülstiger und emotional eindeutiger zu als noch beim frühen Wegbereiter. Das zeigt ja vielleicht, dass sich mit der Zeit die Wahrnehmung so manche eingefahrene Spur gebahnt hat, auf der sich die Sicht auf die komplexe Wirklichkeit dann doch etwas einfacher zu einem überschaubaren Bild fügen lässt.

Scintillement français – Konzert der Philharmonie Straßburg OPS

Bizet – L’Arlésienne, Suite Nr. 1
Tomasi – Konzert für Trompete
Debussy – Images
Dirigent: Aziz Shokhakimov
Trompete: Gábor Boldoczki

DO 28. und FR 29. April um 20 Uhr
Palais de la Musique et des Congrès

Weiteres Konzert des OPS:

Joe Hisaishi
2. Symphonie
„Woman“ für Klavier, Schlagwerk und Streicher
Princesse Mononoké-Suite

Dirigent und Klavier: Joe Hisaishi
MI 4. Mai, 20 Uhr
Palais de la Musique et des Congrès

Tickets und Informationen: www.philharmonique.strasbourg.eu

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