Gibt es eigentlich noch die Gelbwesten?

Die Bewegung der Gelbwesten liegt in den letzten Zügen. Abgesehen von vereinzelten und weitgehend sinnlosen Aktionen verläuft sich die ganze Geschichte langsam.

Ein paar versprengte Gelbwesten gibt es noch, aber die Bewegung ist am Ende angekommen... Foto: Olivier Ortelpa / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Am letzten Wochenende gab es, glaubt man den „Gelbwesten“, den „Akt 35“. Zwar hat man inzwischen selbst bei den letzten Gelbwesten verstanden, dass es keinen Sinn mehr macht, mit Parolen wie „Wir sind das Volk!“ oder Aufrufen zu Generalstreiks oder „weltweiten Mobilisierungen“ aufzurufen, doch sind nach wie vor ein paar Hundert Wirrköpfe unterwegs, deren Hauptanliegen darin besteht, sich hier und da Rangeleien mit der Polizei zu liefern. In absehbarer Zeit werden sich die Gelbwesten selbst auf die Finger beißen und darüber ärgern, dass sie die Chance verpasst haben, Akteure des sozialen Wandels zu werden und stattdessen lieber mit ihrer eigenen Unorganisiertheit kokettiert haben.

Ob es nun 50 französische und 50 deutsche Gelbwesten sind, die ein paar Minuten auf der Europabrücke zwischen Straßburg und Kehl den Verkehr behindern, ob es ein paar Hundert Gelbwesten auf den Champs-Elysees sind, die heldenhaft Papierkörbe anzünden und Verkehrsschilder umwerfen – den Gelbwesten ist die Puste ausgegangen und daran sind einzig und alleine sie selber schuld. Monatelang hatten sie das Gehör der Medien und der französischen Öffentlichkeit, doch die Mittelmäßigkeit und die Profilneurosen ihrer selbst ernannten „Führer“ haben dafür gesorgt, dass es nicht einen sinnvollen Ansatz für einen Dialog mit der Regierung gab.

Eine Bewegung, die in einem halben Jahr nicht in der Lage ist, klare Forderungen zu formulieren und argumentativ zu hinterlegen, die hat sich selbst als Partner eines gesellschaftlichen Dialogs disqualifiziert. Der Versuch einer „Revolution des Stammtischs“ ist gescheitert, denn gesellschaftliche Veränderungen lassen sich nun einmal nur im Dialog erreichen. Dass die Gelbwesten in diesen Monaten alle Möglichkeiten vergeigt haben, Akteur eines gesellschaftlichen Wandels zu werden, das ist eine vertane Chance. Doch den Drouard, Nicolle, Rodriguez oder Chalençon ging es nie um einen gesellschaftlichen Wandel, sondern vor allem um das Bad im Licht der Öffentlichkeit. Besoffen von der Aufmerksamkeit, die ihnen plötzlich zukam, haben sie es verpasst, aus den Gelbwesten einen echten Akteur des sozialen Lebens in Frankreich zu machen.

Was heute noch von den „Gelbwesten“ in Frankreich übrig ist, das sind einige hysterische Schreihälse, linke und rechte Extremisten des „Black Block“ und verschiedener identitärer und antisemitischer Grüppchen, gewalttätige Spinner, die nur noch ihren Frust über ihre Lebensumstände in Prügeleien mit der Polizei abreagieren wollen – kein Wunder, dass sich an den Samstagen nur noch ein paar Hundert Verwirrte in den Schlägereien mit der Polizei wiederfinden. Mit „politischen Forderungen“ oder einer Protestbewegung hat das alles nichts mehr zu tun.

Dass während der Proteste, die am 17. November letzten Jahres begannen, auch die französische Regierung mehr als amateurhaft reagierte, ist eine Sache. Dass die Gelbwesten keinen Weg heraus aus ihren militanten Aktionen an den Verkehrskreiseln und in den Innenstädten Frankreichs gefunden haben, ist eine andere Sache. Die Gelbwesten hatten alle Chancen, doch sie verweigerten den angebotenen Dialog mit der Regierung und disqualifizierten sich von Samstag zu Samstag immer ein Stückchen mehr. Und da sie auch nach Monaten des Stresses immer noch nicht Klares zu sagen hatten, hörte ihnen irgendwann auch niemand mehr zu.

Noch nie hatte eine Protestbewegung mehr Medienaufmerksamkeit als die Gelbwesten. Ein halbes Jahr lang waren sie in jeder TV-Debatte, standen im Mittelpunkt der Sondersendungen am Wochenende, doch statt diese mediale Aufmerksamkeit zu nutzen, verloren sie sich in ihren Eitelkeiten, im Gerangel um noch mehr Aufmerksamkeit und in ihrer eigenen Megalomanie, die sie lange glauben machte, Frankreich stünde hinter ihnen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hätte vor massiven Schwierigkeiten gestanden, hätten sich die Gelbwesten eine charismatische Führungspersönlichkeit zum Sprecher bestimmt, eine Person, die nicht grölend vor Polizisten auf- und abmarschiert, sondern eine Persönlichkeit, welche die durchaus ernstzunehmenden Kernforderungen der Gelbwesten auf Augenhöhe mit der Regierung verhandelt hätte. Doch keiner der selbsternannten „Führer“ dieser Bewegung war in der Lage, etwas anderes zu präsentieren als diffuse Aufrufe zum Umsturz und das war, schlicht und ergreifend, zu wenig.

Es wird sicher noch ein paar dieser „Akte“ geben, doch es wird, aufgrund der kaum noch vorhandenen Beteiligung an diesen Gewaltevents, für die Polizei immer einfacher werden, die Schläger zu identifizieren und in Gewahrsam zu nehmen. Die Geschichte der Gelbwesten ist eine Geschichte der verpassten Chancen, des Scheiterns aufgrund persönlicher Eitelkeiten und der Unfähigkeit, in einen konstruktiven Dialog einzutreten. Dass es mit den Gelbwesten am Ende doch nichts wurde, liegt einzig und allein an ihnen selbst. Es könnte durchaus sein, dass man dies zu einem späteren Zeitpunkt bedauert.

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