Landesweiter Lockdown, Teil 3

In Frankreich fällt der Monat April 2021 praktisch komplett aus. Präsident Emmanuel Macron hat gestern Abend den bereits in 19 Departements herrschenden härteren Lockdown auf das ganze Land ausgeweitet.

Lockdown, zum dritten... ob's mehr als ein wenig Erleichterung bringen wird? Foto: National Institutes of Health / Wikimedia Commons / PD

(KL) – In Frankreich sagt man heute, dass wenn es nicht so schlechte Nachrichten gibt, Emmanuel Macron sein Front-Duo Castex / Véran zur Verkündung schickt. Wenn es aber richtig schlechte Nachrichten gibt, dann ist das Chefsache. So auch gestern Abend, als Emmanuel Macron den dritten landesweiten Lockdown ausrief. Und der gilt ab Samstagabend für mindestens vier Wochen, voraussichtlich aber bis Mitte Mai. Und auch nur dann, wenn sich bis dahin das Infektionsgeschehen deutlich gebessert hat. Dazu werden auch die Schulen geschlossen, wobei die Grundschulen dann am 26. April wieder öffnen sollen.

Im Prinzip sind die vom französischen Präsidenten beschlossenen Maßnahmen genau das, was Virologen auch für Deutschland fordern. Ein richtig harter Stopp, Herunterfahren des öffentlichen Lebens, Ausgangssperren, Impf-Strategie, Test-Strategie, konsequente Reduzierung sozialer Kontakte – und das könnte klappen. Könnte, denn dadurch, dass die französischen Maßnahmen nur in Frankreich gelten, werden sie am Ende dadurch zunichte gemacht werden, dass die europäischen Nachbarn nicht mitziehen. Alleine in der ostfranzösischen Region Grand Est pendeln täglich rund 150 000 Grenzgänger täglich in eines der vier Nachbarländer (Belgien, Luxemburg, Deutschland, Schweiz) – und dies ist nur eine der vielen innereuropäischen Grenzen. Dass diese Mobilität dafür sorgt, dass das Virus weiter zirkulieren kann, ist klar. Doch reicht es zur Bekämpfung einer Pandemie nicht aus, dass einer ziemlich viel richtig macht (zahlreiche der Maßnahmen sind im Konjunktiv gehalten, „wenn wir ausreichend Impfdosen haben“, „wenn es genug Tests gibt“ etc.) – die Nachbarn aber nicht.

Angesichts der hohen Infektionszahlen mit Varianten wie dem B.1.1.7, der auch Kinder und Jugendliche infiziert, wurde es höchste Zeit, auch in Frankreich die Schulen zu schließen. Diese sollen in den verschiedenen Klassenstufen schrittweise bis zum 12. Mai wieder geöffnet werden.

Konkret ändert sich im täglichen Leben der Franzosen eine ganze Menge. Abgesehen von der abendlichen und nächtlichen Ausgangssperre (19 bis 6 Uhr), die in Kraft bleibt, darf man sich ohne Attest und „wichtigem Grund“ nur in einem Umkreis von 10 km um seine Wohnung herum bewegen, Treffen in Gruppen von mehr als 6 Personen aus 2 Haushalten sind untersagt. Reisen von einer Region in eine andere sind verboten, kurz – der Monat April fällt in Frankreich aus und das ist kein Aprilscherz.

Kurz vor dem drohenden Zusammenbruch des Krankenhaussystems in Frankreich, vor allem im Großraum Paris, wo Vorstadtgemeinden wie Bondy eine Inzidenz von bis zu 1300 (!) aufweisen, zieht Macron die Notbremse. Dass er dabei in den 24 Minuten seiner durch und durch choreographierten TV-Ansprache immer wieder betonte, dass „man jederzeit die Kontrolle behalten habe“, geschenkt. Die Zahlen sagen genau das Gegenteil aus. Dass er unterstrich, dass seiner Ansicht nach die Regierung einen guten Job gemacht hat, geschenkt. Dass er sogar in einem gemurmelten Halbsatz einräumte, dass eventuell auch Fehler gemacht worden seien, genauso geschenkt. In der aktuellen Situation ist der harte Lockdown, wenn er dann befolgt wird, die richtige Entscheidung.

Unverständlich bleibt jedoch, dass es nicht möglich ist, sich auf europäischer Ebene abzustimmen und ein solches Maßnahmen-Paket zeitgleich und harmonisiert in ganz Europa durchzuziehen. Denn gerade die Kombination aus mehreren Maßnahmen dieser Strategie ist eigentlich erfolgversprechend, jedoch nur, wenn das Virus kontinental und letztlich weltweit bekämpft wird. Davon sind wir aber leider weit, weit entfernt. Wenn man sieht, dass man es alleine schon in Deutschland nicht schafft, eine bundeseinheitliche Strategie gegen die Ausbreitung des Virus zu beschließen, dann versteht man, dass der große Verlierer dieser Krise das institutionelle Europa sein wird. Denn die Uneinigkeit Europas in dieser Krise stellt die Sinnfrage der EU. Aber darum wird man sich später kümmern. Bis dahin kann man nur hoffen, dass der nun verkündete lange Lockdown Frankreich wenigstens kurzfristig ein wenig Erleichterung bringen wird. Dass das Virus mit diesen Maßnahmen in Frankreich besiegt werden könnte, ist leider nicht möglich. So lange, bis die Europäer anfangen, wie Europäer zu denken und zu handeln…

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