Macron – auch in Den Haag schlagen ihm Proteste entgegen

Mit seinen Landsleuten spricht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schon seit Monaten nicht mehr. Dafür reist er gern und oft ins Ausland, um den Menschen dort zu erklären, wie die Welt funktioniert. Das klappt aber immer seltener.

Auch in Den Haag arbeitete Emmanuel Macron an seinem Image als Weltpolitiker. Allerdings nicht sehr erfolgreich. Foto: ScS EJ

(KL) – Damit hatte Emmanuel Macron nicht gerechnet, als er im niederländischen Den Haag eine Rede zu seiner kürzlich verkündeten neuen Europa-Doktrin hielt, die erst leicht verspätet beginnen konnte, da der französische Präsident schon bei seinem Eintreffen sehr direkt von Personen aus dem Publikum mit der Frage konfrontiert wurde, wo eigentlich die französische Demokratie abgeblieben sei. Andere Teilnehmer erinnerten Macron daran, dass Millionen Menschen in Frankreich demonstrieren und „niemand ihnen zuhört“. Als eine Demonstrantin ein Tuch ausrollte, auf dem „Präsident der Gewalt und der Heuchelei“ zu lesen war, wurde sie zwar aus dem Saal getragen, doch es wurde schnell deutlich, dass es Macron schwer fällt, mit normalen Bürgern umzugehen, die ihm nicht nur handverlesen kurz die Hand schütteln dürfen, sondern die ihm kritisch begegnen. Lieber doziert er und verkündet weltbewegende Pläne. Doch die Zeiten, in denen sich Macron so als Europa- und Weltenführer präsentieren konnte, scheinen vorbei zu sein.

In Den Haag erlebten die Zuhörer das berühmte macron’sche “en même temps“, das “sowohl, als auch”. Denn einerseits warb er für die von ihm angestrebte europäische Souveranität, doch anderseits hat er sie auch schon verkündet. Die fehlende Abstimmung mit den europäischen Partnern, die fehlende thematische Definition dessen, was “europäische Souveranität” bedeutet, das schlechte Timing – all das verhindert fast schon die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage, während die Art und Weise, in der Macron dem Rest Europas seine nicht sehr ausgereifte Vision einer neuen Weltordnung aufdrücken will, das ist eben die gleiche Gouvernance, mit der er gegen den erklärten Willen der Franzosen agiert.

Aber wenn Macron in Den Haag sagt, „Es ist sehr wichtig, eine soziale Debatte zu führen“, dann ist das erneut wie ein Schlag ins Gesicht seiner Landsleute, denn genau diese Debatte verweigert er seit Monaten den Franzosen. Auch ungewohnt für Macron: Einige holländische Teilnehmer an dieser Konferenz machten sich zu Sprechern der Millionen Franzosen, denen Macron eben diesen Dialog verweigert. Und so wirkten seine Lektionen zu Themen wie „Demokratie“, „sozialem Dialog“ und „Demonstrationsfreiheit“ mehr als seltsam.

Seit einiger Zeit springt Macron von einem Fettnäpfchen ins nächste. Sein Verhalten gegenüber seinen Landsleuten im Zusammenhang mit der Rentenreform und anderen Themen, seine Stellungnahmen zu Taiwan und der Ukraine, seine Alleingänge, mit denen er seine europäischen und westlichen Partner in schwierige Situationen bringt, seine Phantasien von der dritten Supermacht Europa – das wirkt alles aufgesetzt, kommunikations-technisch einstudiert und am Thema vorbei.

Ob es so für Macron noch zum Weltpolitiker reichen wird? Man ist in Europa durchaus auf dem Laufenden, dass Frankreich seit 5 Jahren jedes Wochenende (bis auf die Lockdowns) brennt. Man hört in Europa immer mehr Stimmen, die laut fragen, warum Macron nicht versucht, sein Land erst einmal in Ordnung zu bringen, denn eine neue Weltordnung in die Wege leiten zu wollen, wenn man nicht einmal die Ordnung in der eigenen Hauptstadt aufrecht erhalten kann, das klingt schon ziemlich ambitiös.

Und auch unverständlich: Niederländern die Welt erklären, das ja. Mit seinen eigenen Landsleuten reden, das nein. Was dann schon wieder das nächste Fettnäpfchen wäre.

 

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