Streiks in Deutschland – es ist noch lange nicht vorbei

Die Streikwelle im deutschen Transportwesen rollt munter weiter. Und niemand weiß, was Claus „Tabliba(h)n“ Weselsky als nächstes einfällt.

Kaum rollen die Züge wieder, müssen sich die Flugreisenden wieder auf solche Bilder einstellen. Foto: KTo288 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Der Mann hat’s drauf – Claus Weselsky benimmt sich so, als sei er, der prima bezahlte Funktionär, der letzte Verfechter der Arbeitnehmerschaft gegen den Kapitalismus. Dass er dabei Millionen Familien, Kinder und einfache Bahnfahrer schädigt, nimmt er als „Kollateralschaden“ gerne in Kauf. Und pünktlich zum Ende dieser Streikrunde gehen heute und morgen die Lufthansa-Piloten wieder in den Ausstand. Eine Erhöhung des Renteneinstiegsalters von 55 Jahren wäre für diese Arbeiter der Lüfte (die bis zu einer Viertelmillion Euro im Jahr verdienen) aber auch wirklich eine Zumutung.

Dass es einmal so weit kommt, dass man ein Staatsunternehmen mit ziemlich mauem Management, schlechtem Service, überzogenen Preisen und nie verfügbaren Sonderangeboten in Schutz nehmen möchte, das sagt schon einiges. Denn das, was GDL-Chef Claus Weselsky gerade mit der arbeitenden Bevölkerung abzieht, das ist schon unglaublich. Dabei liefert er denjenigen, die Nischengewerkschaften am liebsten abschaffen würden, die Rechtfertigung dafür. Dass Weselsky so seine Mitglieder, aber auch die deutsche Gewerkschaftsbewegung schädigt, stört ihn wohl nicht so sehr.

Stand heute ist die Auseinandersetzung zwischen der kleinen GDL, die gerne eine große Gewerkschaft wäre, und der Bahn noch lange nicht vorbei. Zwar will Weselsky großzügig in den nächsten Tagen das Angebot der Bahn prüfen und sagte im ZDF, dass diese Woche vermutlich nicht mit neuen Streiks zu rechnen sei, doch wie sagte Charles de Gaulle? „Versprechen binden nur diejenigen, die an sie glauben“.

Erreicht hat Weselsky immerhin, dass die Fernbusse und Autovermieter ein Boom-Wochenende erlebt haben, das den Autovermieter Sixt zu einer netten Werbekampagne inspirierte: „HDGDL, GDL“ titelten die Werbeexperten des Autovermieters – „Hab dich ganz doll lieb, GDL“. Kein Wunder, denn Weselskys Streik bescherte Sixt Rekordumsätze.

Während nun die Bahnkunden mal ein paar Tage durchatmen dürfen, geht’s nahtlos bei der Lufthansa weiter. Die Lufthansa-Piloten der VC sind nämlich ebenso aufgebracht wie die GDL. Verständlich, wenn das Renteneintrittsalter eines so gut bezahlten Berufs von 55 Jahren angehoben werden soll. Das Argument von VC ist verständlich – man will auf einstmals erstrittene Rechte nicht verzichten. Doch nur, weil meine Großmutter einst das Schock Eier für 2,5 Heller kaufen konnte, heißt das noch lange nicht, dass ich das heute auch kann. Was hier als „Arbeitskampf“ verkauft wird, ist in Wirklichkeit konservativste Besitzstandswahrung von Besserverdienern und es stellt sich die Frage, wer mit den Piloten eigentlich solidarisch sein soll. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung doch wohl nicht.

Im Gegensatz zu den Bahnkunden haben Flugreisende wenigstens die Möglichkeit, mit anderen Fluggesellschaften ans Ziel zu kommen. Was auch zur Folge haben kann, dass Airlines Pleite gehen. Erinnert sich noch jemand an die amerikanische Pan Am? Wenn dann eines Tages die Lufthansa-Piloten beim Jobcenter stehen, werden sie vielleicht begreifen, wie die Arbeitswelt abseits des Ponyhofs aussieht und dass ihr „Arbeitskampf“ im Grunde für jeden anderen Arbeitnehmer und Arbeitslosen wie Hohn klingt.

Reisende müssen sich in Deutschland noch lange auf Probleme einstellen. Jeden Streik von Krankenschwestern, der Müllabfuhr, der Polizei oder anderen Sozialberufen, in denen Überstunden und Unterbezahlung an der Tagesordnung sind, sollte man jederzeit unterstützen – doch warum sollte man solidarisch mit denjenigen sein, die so unsolidarisch mit der übrigen Bevölkerung umgehen?

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