Verschlaft bloß nicht einen großen Umbruch…

Die französische Protestbewegung „Nuit debout“ breitet sich immer weiter aus. Am Samstag finden in über 180 französischen Städten und europäischen Städten Aktionen statt.

"Nuit debout" breitet sich in ganz Frankreich aus und schon geht diese positive Bewegung auch über die Grenzen hinweg nach Europa hinein. Spannend. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Es begann vor wenigen Tagen – die Protestbewegung „Nuit debout“ nahm ihren Anfang in Paris, bevor sie sich Anfang dieser Woche auch auf andere französische Städte ausbreitete. Dabei ist der Ausdruck „Protestbewegung“ eigentlich falsch – denn diese jungen Leute sind in erster Linie nicht GEGEN etwas, sondern FÜR etwas. Nämlich eine bessere, gerechtere, sozialere Gesellschaft. Und während sich zahlreiche Beobachter in Sorgen ergehen, ob diese Bewegung vielleicht „missbraucht“ werden könnte, am Ende gar von finsteren Mächten gesteuert wird, machen die jungen Leute munter und dynamisch weiter. Am Samstag macht halb Frankreich durch – „Nuit debout“ organisiert sich in über 180 französischen Städten und auch in Europa – beispielsweise in Berlin und Brüssel.

Wenige Tage nach dem Start von „Nuit debout“ geht die Organisation dieser Bewegung weiter und dies zu beobachten, ist mehr als spannend. Die Diskussionen sind immer noch genauso interessant und offen, die Haltung ist absolut gewaltfrei und von gegenseitigem Respekt geprägt. Freundlich. Nett. Und schlau. Wer den Diskussionen folgt und sich an ihnen beteiligt, der stellt fest, dass die Inhalte, die bei „Nuit debout“ besprochen werden, hoch demokratisch und gesellschaftlich interessant sind.

Schön längst geht es nicht mehr nur um das geplante neue Arbeitsgesetzes, das der ursprüngliche Grund für diese neue Bewegung war, sondern um eine eher allgemeine Gesellschaftskritik, die noch dazu absolut berechtigt ist. Es geht um mehr soziale Gerechtigkeit, um gesellschaftliche Teilhabe, um ein friedliches Miteinander der Menschen, Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten.

Die Art und Weise, wie sich die Arbeitsgruppen von „Nuit debout“ organisieren und wie dort diskutiert und gearbeitet wird, ist nach wie vor beeindruckend. Nicht der Hauch von Aggressivität, eine fröhliche Stimmung, eine Spur von „Flower Power“ und ein Wir-Gefühl, das diese jungen Leute stark macht.

„Nuit debout“ breitet sich wie ein Lauffeuer aus. Wenn am Samstag, den 9. April, der im Sprachgebrauch von „Nuit debout“ der 40. März ist, da die „neue Zeitrechnung“ dieser Bewegung mit dem Tag ihrer Gründung im März weiterläuft, in über 180 französischen Städten diskutiert, gefeiert, getanzt und gearbeitet wird, dann könnte es sein, dass die Facebook-Präsenz dieser Bewegung bereits die Million „Freunde“ geknackt hat. Und – auch im europäischen Ausland reagiert die Jugend. So sollen am Samstag auch in Berlin, Brüssel und London die ersten „Nuit debout“-Gruppen starten. Nach Auskünften der „Kommunikations-Gruppe“ werden diese internationalen „Ableger“ von im Ausland lebenden Franzosen organisiert, doch ist es nur eine Frage der Zeit, wann sich diese positiv denkende Jugendbewegung auch in anderen europäischen Ländern selbst multiplizieren wird.

Es ist sinnlos darüber zu spekulieren, welchen Weg „Nuit debout“ nehmen wird. Die Zweifler und Kritiker drücken mit ihren Zweifeln und ihrer Kritik vor allem die Sorge aus, dass sich etwas an ihrem eigenen Status Quo ändern könnte – statt zu theoretisieren, sollte man diese jungen Menschen einfach machen lassen und nach Kräften unterstützen. Zumal in Frankreich bereits eindeutig erste gesellschaftliche Konsequenzen zu erkennen sind – seit vielen, vielen Jahren wurde in Frankreich nicht mehr so intensiv über gesellschaftliche Fragen diskutiert wie heute. Das Phänomen „Nuit debout“ beschäftigt die Leitartikelschreiber aller großen und kleinen Zeitungen, in jedem Bistro und an jeder Straßenbahnhaltestelle wird über diese Bewegung und ihre Hintergründe diskutiert und es kann nicht falsch sein, wenn eine Gesellschaft über ihre Inhalte, Werte, Ziele und Probleme spricht. Die Tatsache, dass wir solche Dinge fast vergessen haben, ist kein Beweis dafür, dass eine solche Diskussion nicht stattfinden muss – der aktuelle Zustand unserer Gesellschaften ist allerdings das beste Zeichen dafür, dass wir dringend eine Bewegung wie „Nuit debout“ brauchen. Man darf gespannt sein, wie sich dieser junge Elan weiter entwickeln wird.

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