„Verwilders“ die Bundesrepublik?

In Thüringen und Brandenburg finden 2024 Landtagswahlen statt. Und in beiden Bundesländern liegt die AfD in den Umfragen vorne. Folgt die Bundesrepublik den Niederlanden in den rechtsextremen Abgrund?

Noch liegt die AfD da, wo sie hingehjört. Aber wie lange noch? Foto: Anaconda74 / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Der September 2024 könnte ein rabenschwarzer Monat für die Bundesrepublik Deutschland werden. Am 1. September finden die Landtagswahlen in Thüringen statt und am 22. September in Brandenburg. In beiden Bundesländern liegt die AfD in den Umfragen vorne und dass sich die Rechtsextremen inzwischen als stärkste Kraft in diesen Bundesländern aufgestellt haben, ist höchst bedenklich. Dabei haben sich die Rechtsextremen keineswegs durch eine konstruktive Oppositionspolitik ausgezeichnet, sondern warten einfach nur ab, dass sich die traditionellen Parteien selbst und gegenseitig zerfleischen.

Die aktuellen Umfragen sehen für Brandenburg die AfD bei 27 %, die den Ministerpräsidenten Dietmar Woidke stellende SPD nur noch bei 20 %, die CDU bei 18 %. Dann, und das ist eine Überraschung, folgt die noch nicht einmal gegründete Wagenknecht-Partei mit 11 %, noch vor den Grünen, die in Brandenburg lediglich auf 8 % kämen. Durch das Auftauchen der Wagenknecht-Partei versinkt Die Linke im politischen Nirwana und würde nur noch 3 % erreichen, ebenso wie die FDP und die Freien Wähler.

In Thüringen sieht es noch brauner aus. Dort, wo der sich selbst als „Faschist“ bezeichnende Björn Höcke den Landesverband der AfD leitet, kommt diese in den aktuellen Umfragen auf 34 % (!), weit vor der CDU mit 22 % und Die Linke mit 20 %. Die SPD käme in Thüringen gerade noch auf 9 % und Grüne und FDP liegen mit 4 % unter der Hürde für einen Einzug in den Landtag. Im Klartext bedeutet das, dass in Thüringen entweder eine „Riesige Koalition“ aus CDU, Die Linke und SPD regieren wird, was man sich eigentlich kaum vorstellen kann, oder dass die „Brandmauer“ gegen die AfD endgültig einstürzt und die Rechtsextremen erstmals auf Landesebene an einer Regierung beteiligt wären.

Angesichts des Umstands, dass die AfD auch bundesweit fest auf Platz 2 der Politiklandschaft etabliert ist, weit vor den drei Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP, muss man sich langsam ernsthaft mit der Frage beschäftigen, was passiert, wenn diese Entwicklung weitergeht. Bekommen wir „niederländische Verhältnisse“? „Verwilders“ die Bundesrepublik?

Man versteht, warum bis auf die CSU von Markus Söder alle anderen Parteien zittern, wenn die Sprache auf Neuwahlen kommt. Denn langsam wird die Gefahr, dass Deutschland noch weiter nach rechts abgleitet, immer bedrohlicher. Das Gleiche ist bereits in vielen anderen europäischen Ländern passiert, wo sich ebenfalls neonationalistische Strömungen durchsetzen.

Einer der Hauptgründe, wieso dieser Neonationalismus so viel Rückenwind hat, ist das Versagen der europäischen Institutionen, die es trotz aller Ankündigungen nicht schaffen, sich zu reformieren und im Interesse der Europäerinnen und Europäer zu agieren, sondern sich zu reinen Erfüllungsgehilfen der mächtigen Lobbys der Pharma- und Rüstungsbranche machen. Auch die weitestgehend straffreie Korruption in den Institutionen hat nicht dazu beigetragen, dass sich die Menschen von der EU vertreten fühlen und in der Gemengelage mit dem Krieg in der Ukraine und in Gaza, der Inflation und den steigenden sozialen Spannungen müssen die Neonationalisten nur abwarten, dass ihnen die Wähler zulaufen. Genau das passiert gerade. So auch in Deutschland.

Die Taubheit des politischen Establishments, die Unfähigkeit der Parteien eine moderne Politik zu führen, das kleinkarierte Hickhack zwischen den Koalitionspartnern, die blank liegenden Nerven in der Bevölkerung, die direkt von der Pandemie in die Inflation gerutscht ist, all das bringt die Rechtsextremen ohne deren Zutun nach vorne.

Es ist schwer zu glauben, dass 34 % der Menschen in Thüringen wirklich „Faschisten“ sind, dass 27 % der Brandenburger neofaschistisches Gedankengut teilen, doch werden die traditionellen Parteien im Juni 2024 bei der Europawahl und im September 2024 bei den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg die Quittung für ihr kollektives Versagen erhalten.

Das Ganze bringt uns, zusammen mit Neugründungen wie der Wagenknecht-Partei, zu einer Situation, die sich wie eine „Weimarer Republik 2.0“ entwickeln kann. Wohin diese geführt hat, das sollte jedem bekannt sein, der schon einmal ein Geschichtsbuch aufgeschlagen hat. Doch diese Geschichtskenntnisse scheinen bei den traditionellen Parteien zu fehlen. Sonst würden sie uns nicht in eine erneute politische Katastrophe führen.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste