Warum das CETA nicht so richtig ankommt

Bei einer hoch interessanten Podiumsdiskussion der Europaunion in Kehl diskutierten ausgewiesene Experten mit einem aufmerksamen Publikum.

Von links nach rechts - Roman Huber, Jean-Claude Moog, Moderator Kai Littmann, Dr. Joachim Schuster - eine großartige Diskussion! Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Die Quintessenz der Podiumsdiskussion der Europaunion in Kehl präsentierte einer der Teilnehmer, Roman Huber (Bundesvorstand von „Mehr Demokratie“) schon in seinem Eingangsstatement – „man bräuchte Zeit und Hunderte solcher Diskussionen, damit sich die Menschen ein richtiges Bild machen und dann sinnvoll entscheiden können“, sagte der Experte. Dabei ging es in erster Linie um das Freihandelsabkommen mit Kanada, CETA, zu dem viele Fragen offen sind. Mit auf dem Podium saßen Joachim Schuster, Europaabgeordneter der SPD aus Bremen und Mitglied des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments und Jean-Claude Moog von Attac Frankreich.

Warum man ein Freihandelsabkommen zwischen Kanada und Europa überhaupt braucht, obwohl dieses im besten Fall ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,08 % bringen kann, versuchte Joachim Schuster zu erklären: „In einer globalisierten Welt, in der sich gerade die BRICS-Staaten [Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika] organisieren, müssen wir Partnerschaften schmieden, wenn Europa wirtschaftlich nicht ins Abseits geraten will.“ Doch da waren die beiden anderen Experten nicht unbedingt einer Meinung. Während Roman Huber Umfragezahlen präsentierte, die zeigten, dass die Menschen von einem Staat und einem Europa träumen, in dem Lebensqualität vor Wirtschaftskennzahlen kommt, kritisierte Jean-Claude Moog den Zynismus der Politik, die gerade dabei ist, die Lebensbedingungen auf diesem Planeten den Interessen der Wirtschaft zu opfern.

Doch auch der Europaabgeordnete Joachim Schuster ist nicht bereit, alles mitzumachen, was für das CETA ausgehandelt wurde. Knackpunkte sind drei Elemente im CETA, die offenbar von den Verhandlungspartnern nicht mehr verändert worden sind, die aber das Abkommen so gestalten, dass es nicht unterzeichnet werden kann. Erster Knackpunkt sind die Schiedsgerichte, die außerhalb der normalen Gerichtsbarkeit Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten regeln sollen, ohne dass die normale Gerichtsbarkeit eingreifen könnte. Erstaunlicherweise sollen nur Unternehmen gegen Staaten klagen können, wenn sie meinen, dass ihre Interessen nicht ausreichend berücksichtigt werden, nicht aber Staaten gegen Unternehmen. Zweiter Kritikpunkt ist die unzureichende Regelung der „Daseinsvorsorge“ – was soviel bedeutet, dass künftig kanadische Unternehmen in Bereichen wie Alterspflege oder Krankenpflege in Europa aktiv werden können, die bei uns zur Vorsorge gehören, die Aufgabe des Staats ist. Und als letztes sind die Arbeitnehmerrechte nicht klar geregelt, ein Bereich, der in Europa sehr klar geregelt und fortgeschritten ist und sich deutlich vom nordamerikanischen „Hire and Fire“ unterscheidet.

Doch das CETA und auch das mit den USA geplante Abkommen TTIP stellt alle gemeinsam auch vor eine grundsätzliche Demokratiefrage. Denn die Umfragen zeigen, dass die Menschen in Europa in großer Mehrheit diese Abkommen ablehnen, ohne allerdings genau zu wissen, was drin steht. Kein Wunder, ist doch alleine das Vertragswerk des CETA 1500 Seiten stark und in kaum verständlicher juristischer Sprache geschrieben. Die große Ablehnung begründet sich in einem immer stärker werdenden Misstrauen, mit dem die Bürgerinnen und Bürger der Politik begegnen. Der (inzwischen abgelehnte) Vorschlag des Präsidenten der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker, über das CETA einfach auf europäischer Ebene ohne die nationalen Parlamente zu entscheiden, hat dieses Misstrauen nur noch weiter vertieft.

Beim CETA, das zeigte die angeregte Diskussion mit dem Publikum, geht es gar nicht so sehr um ein Handelsabkommen, sondern vielmehr um die Frage der Demokratie und damit verbunden, die Frage, wie wir eigentlich in dieser Gesellschaft leben wollen.

Alles in allem kann man Roman Huber nur Recht geben – wenn Bürgerinnen und Bürger und Experten im gegenseitigen Respekt diskutieren und Argumente austauschen, steigt damit die Chance, gemeinsam Verständnis und in der Folge Lösungen zu entwickeln. Und in der Richtung sollten alle zusammen weiter arbeiten.

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