Wenn man es niemandem mehr Recht machen kann

Die Stadt Straßburg kündigt gerade ihre „Europawoche“ mit diesem lustigen Plakat an. In einem Pawlowschen Reflex ereifern sich die Straßburger nun über eben dieses Plakat.

Mit diesem witzigen Plakat kündigt die Stadt Strasbourg ihre Europawoche an. Und die Bevölkerung schreit "Skandal!". Foto: Ville de Strasbourg

(KL) – Was soll das denn? Wieso denn Churchill? Mieser Geschmack! Was soll die Frau auf dem Stier? So und ähnlich klangen die Kommentare auf das Plakat, mit dem die Stadt Straßburg die im Mai stattfindende Europawoche ankündigt. Dabei enthält dieses Plakat richtig viele Nachrichten, über die es sich lohnt nachzudenken. Doch in der Entrüstungskultur, die sich inzwischen in Frankreich breit gemacht hat, fällt das Nachdenken leider erstmal aus. Hauptsache, man kann seiner Unzufriedenheit mit der Welt und sich selbst Luft machen.

Das Plakat, das nicht ungewollt an die Collage des „Monthy Python Flying Circus“ (für die Jüngeren – eine sensationell komische britische Theatertrupp um den genialen John Cleese, die in den 70er und 80er Jahren ganz Europa zum Lachen brachte) erinnert, ist gleichzeitig europäisch und ein Augenzwinkern in Richtung des vom Brexit gebeutelten Großbritannien. Immerhin war es der frühere britische Premierminister Winston Churchill, der den Traum von den „Vereinigten Staaten von Europa“ formulierte, der sich für das Europäische Parlament in Straßburg stark machte und dessen europäische Visionen heute von Theresa May und Konsorten zerstört werden. Daher ist, genau zu diesem Zeitpunkt, der Hinweis auf Winston Churchill goldrichtig.

Und muss man wirklich den mythologischen Zusammenhang zwischen einer jungen Frau auf dem Rücken eines Stiers und dem Thema „Europa“ erklären? Doch es geht wohl eher nicht um das Plakat selbst, sondern darum, dass es heute in Frankreich schier unmöglich ist, Dinge, die von der öffentlichen Hand gemacht werden, NICHT zu kritisieren und als skandalös zu bezeichnen. Der Graben zwischen Politik und Verwaltung auf der einen Seite und der Bürgerschaft auf der anderen Seite ist mittlerweile so tief, dass es nichts, aber auch gar nicht mehr gibt, das nicht sofort in der Luft zerrissen wird, wenn sich die Gelegenheit bietet.

Das Plakat für die „Europäische Woche“ ist witzig, schlau und erfüllt genau seinen Zweck – und wenn es gleichzeitig eine Diskussion über den Brexit und die Rolle Großbritanniens in der EU auslöst, dann ist es geradezu perfekt. Und daran, dass mittlerweile in Frankreich rund um die Uhr über alles gemeckert wird, muss man sich wohl gewöhnen…

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