Zur Gedenkfeier für Valery Giscard d’Estaing

Valery Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt – der Beginn des deutsch-französischen Motors

Valéry Giscard d'Estaing (links vom Spot) und Helmut Schmidt 2014 bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Foto: Mueller / MSC / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0DE

(Karl-Friedrich Bopp) – Am 2. Dezember 2020 starb Valery Giscard d’Estaing im Alter von 94 Jahren. Verbunden mit Deutschland war er vom Beginn seines Lebens an. Er wurde am 2. Februar 1926 in Koblenz als Sohn eines Offiziers der französischen Besatzungsarmee geboren. Am Ende des 2. Weltkrieges kam er als junger Soldat wieder nach Deutschland. Am 26. April 1945 war er im ersten Panzer, als die französische Armee in Konstanz einrückte.

Als er danach seine berufliche und politische Laufbahn begann, war er überzeugt. Die ewige Feindschaft zu Deutschland galt es zu überwinden. Das gemeinsame Europa galt es aufzubauen.

Diese Überzeugungen in konkrete Politik umzusetzen, wurde ihm besonders ab 1974 gegeben. Er wurde für 7 Jahre zum Staatspräsidenten Frankreichs gewählt. Beinahe zur selben Zeit wurde Helmut Schmidt deutscher Bundeskanzler. Die beiden verstanden sich blendend vom ersten Augenblick an. Der berühmte ‚deutsch-französische Motor’ fing in dieser Zeit an Fahrt aufzunehmen.

Während seiner Amtszeit bis 1981 entwickelten Giscard und Schmidt gemeinsam europäische und internationale Initiativen, die nach mehr als 40 Jahren auch heute immer noch Bestand haben.

Von Anfang an waren beide der Ansicht, dass der weltweite technologische Fortschritt, genauso wie die wachsende globale Zusammenarbeit, es notwendig machte, sich unter den wichtigsten Industrienationen besser abzustimmen. So entstand 1975 der erste Weltwirtschaftsgipfel, zu dem Giscard ins Schloss von Rambouillet einlud.

Beide erkannten auch, dass die europäischen Währungen zu starken Schwankungen ausgesetzt waren. Die Konsequenz, eine Wirtschafts- und Währungsunion zu entwickeln, stellte sich allerdings für die damalige Zeit als zu verfrüht heraus. Vor diesem Hintergrund führten sie 1978 das europäische Währungssystem ein. Es trieb den europäischen Einigungsprozess entscheidend voran und legte die Grundlagen für die heutige Gemeinschaftswährung Euro.

Auch die politische Rolle des Europäischen Parlaments wollten beide stärken. Es ging auf ihre Initiative zurück, dass 1979 das Europäische Parlament erstmals vom der Bevölkerung direkt gewählt wurde. Bis dahin saßen im Europäischen Parlament lediglich Abgesandte der nationalen Parlamente. Mit der Direktwahl der Europa-Parlamentarier sollte auch ein Zeichen für die Demokratisierung und Transparenz der europäischen Institutionen gesetzt werden.

Auch der Europäische Rat, das Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs, die mindestens zweimal im Jahr tagen, ging auf eine Initiative von Giscard und Schmidt zurück. Es sind bis heute diese Treffen, die politischen Prioritäten definieren, die dann von der Europäischen Kommission und dem Parlament in praktische Politik umgesetzt werden.

Für die wegweisende Rolle der beiden Staatsmänner, die auf der Basis persönlicher Freundschaft und einer soliden deutsch-französischen Zusammenarbeit die europäische Integration vorantrieben, wurden sie 2014 im hohen Alter von 88 (Giscard) und 94 (Schmidt) mit dem Deutsch-Französischen Medienpreis geehrt.

Professor Thomas Kleist, Intendant des Saarländischen Rundfunks, betonte damals: „Helmut Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing fanden trotz unterschiedlicher parteipolitischer Herkunft zu einem beeindrucken Tandem zusammen, das die europäische Integration nachhaltig vorangetrieben hat. Sie haben gezeigt, wie wichtig Mut, gemeinsamer politischer Gestaltungswille, Überzeugungskraft und Hartnäckigkeit sind, um über nationale Grenzen hinweg Frieden und Wohlstand zu sichern.“

2013 formulierte Giscard seine Vision Europas des Jahres 2030. Einheitliche Renten, einheitliche Sozialleistungen, eine starke gemeinschaftliche Währung, gepaart mit denselben Haushaltsregeln in der Euro-Zone. Ist der aktuelle deutsch-französische Motor robust genug, um diese Vision Realität werden zu lassen? Valéry Giscard d’Estaing durfte es persönlich nicht mehr erleben. Nun ist es an anderen, diese deutsch-französische Vision weiter zu entwickeln. Môgen die beiden Architekten der deutsch-französischen Freundschaft in Frieden ruhen.

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