Chaos hüben wie drüben…

Die „Maßnahmen“, die in Deutschland und Frankreich gegen die Ausbreitung des Coronavirus getroffen werden, sind inzwischen nur noch der Ausdruck absoluter Hilflosigkeit vor einer Situation, die uns völlig entglitten ist.

Dieses mikroskopisch kleine Teil zwingt gerade die Regierungen der Welt in die Knie. Foto: We Are Covert / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Die Entwicklung der Pandemie in Europa ist besorgniserregend, und das ist, gelinde gesagt, eine Untertreibung. Die rasante Ausbreitung der zuerst in Großbritannien aufgetretenen Variante B.1.1.7., die mittlerweile rund 75 % der Infektionsfälle ausmacht und die unter anderem auch Kinder und Jugendliche betrifft, hat das Gesamtbild noch einmal verändert. Überall gehen die Zahlen in die Höhe, vor allem in Frankreich, aber das hindert die politisch Verantwortlichen nicht daran, sich weiterhin sehr zufrieden mit ihrer Arbeit zu zeigen und weiter Maßnahmen zu treffen, von denen bereits vor Inkrafttreten klar ist, dass sie nichts bringen, dafür aber die Bevölkerung massiv belasten werden.

Die Politiker in Deutschland und Frankreich ächzen unter dem Druck der Straße, unter dem sie sich vor einigen Wochen gezwungen sahen, „Lockerungs-Szenarien“ zu beschließen, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen. So gilt in Frankreich ab dem heutigen Samstag ein vierwöchiger Lockdown im Großraum Paris, dem Norden (Region Hauts-de-France) bis zur belgischen Grenze und ganz im Süden des Landes, im Departement Alpes Maritimes (Nizza und andere Städte). Dieser erneut regional verhängte Lockdown hätte nur dann eine Chance, wenn man sicherstellen könnte, dass in den nächsten Wochen niemand in diese Zonen einreist und sie niemand verlässt. Und diese Vorstellung ist in einer mobilen Welt einfach realitätsfremd. Nach wie vor gehen die Verantwortlichen davon aus, dass man eine Pandemie lokal bekämpfen kann und nach einem Jahr der sanitären Krise, die sich jede Woche weiter verschlimmert, könnte man eigentlich auch in der Politik auf die Idee kommen, dass die bisherigen Strategien falsch sind. Doch statt nun endlich das Richtige zu tun, doktert man ein wenig an der Ausgestaltung dieser Lockdowns herum, mit der vagen Hoffnung, die Lage könne sich eventuell von selbst entspannen. Das wird sie aber nicht.

Der neuerliche Lockdown, dieses Mal in 16 Departements für vier Wochen verhängt, ist so ausgestaltet, dass sich die Menschen in einem Radius von 10 km um ihre Wohnung herum bewegen können, aber wie beim ersten Lockdown eine selbst ausgestellte Genehmigung dabei haben müssen. Die Geschäfte müssen wieder schließen, nur die Lebensmittelmärkte dürfen weiter öffnen, wobei allerdings alle Abteilungen, die anderes als Lebensmittel anbieten, gesperrt bleiben müssen. Aber, und da war Premierminister Jean Castex besonders stolz, die Schulen bleiben konsequent geöffnet. Angesichts eines sehr aktiven Virus B.1.1.7., das auch Kinder und Jugendliche befällt, ist diese Entscheidung unbegreiflich. Die französische Regierung führt eine Art Feldtest zu diesen Virus-Varianten durch, bei dem die Kinder Frankreichs die Probanden spielen müssen. Wenn die Schule zur Drehscheibe der Ausbreitung des Virus wird, ist nur schwer verständlich, warum man sie weiterhin offen lässt.

Die Selbstzufriedenheit der Regierung kommt daher, dass Jean Castex und sein Gesundheitsminister Olivier Véran jetzt alles auf die Impfungen setzen. Und die sollen, hui, schon Mitte April richtig Fahrt aufnehmen. Oder im Mai. Schaun mer mal. Dass in dieser Zeit zahlreiche Existenzen zerstört werden, das versteht die hohe Politik in ihrem Elfenbeinturm nicht. Die Krise betrifft sie ja nicht persönlich.

In Deutschland ist es keinen Deut besser. - Mit ihrem „5-Stufen-Lockerungsplan“ hat sich Angela Merkel selbst in Schwierigkeiten gebracht, da sie eine Erwartungshaltung geweckt hat, die nicht erfüllbar ist. Zwei Wochen nach Start der ersten Stufe mit zahlreichen Lockerungen und Anfang der Woche der Öffnung der Schulen für die Klassen 5 und 6, müssen nun die Geschäfte wieder schließen und die Schulen auch. In nur wenigen Tagen sind die Infektionszahlen wieder in die Höhe geschossen, was logisch war und deshalb auch niemanden überraschen kann.

Dafür hat man jetzt das „Click & Meet“ erfunden, das der Nachfolger von „Click & Collect“ ist. Konkret bedeutet „Click & Meet“, dass man sich telefonisch oder per Internet bei einem Geschäft anmeldet, und dann nach Terminabsprache einen Moment lang im jeweiligen Geschäft stöbern darf. Toll. Ansonsten sind vielerorts die am letzten Montag wieder geöffneten Schulen wieder geschlossen worden – normal, denn wir haben es inzwischen mit einer aggressiven Virus-Variante zu tun, die eben auch Kinder und Jugendliche nicht verschont. Dazu dekretiert mittlerweile jede Stadt und jeder Kreis eigene Regeln, so dass man von einer konzertierten Bekämpfung des Virus schon nicht mehr sprechen kann.

Die beiden Länder, die den „Motor Europas“ darstellen wollen, versinken in einer nutzlosen nationalen Nabelschau, haben keine sinnvollen Strategien und beginnen nun damit, die Pandemie bürokratisch zu verwalten. Dies ist nichts anderes als ein Zeichen der Hilflosigkeit, die man durchaus verstehen kann. Nur wäre es dann in einer solchen Situation angebracht, auf die Selbstbeweihräucherung der Politiker zu verzichten. Denn für die gibt es wahrlich keinen Grund.

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