Corona – und dann? Frage an uns Krieger

Sind wir mit dem Gröbsten durch? Steht uns eine zweite Welle ins Haus? Egal, es ist höchste Zeit, wieder Worte zu finden. Wird nun alles anders? Nur, wenn man darüber redet. Aber wie? In dem man Fragen stellt – und die dümmsten finden Sie ab sofort in loser Folge hier.

Oder ist das Virus am Ende lila? Fragen über Fragen... Foto: HFCM Communicatie / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(Michael Magercord) – Zuerst stand die ideelle Rolle der sportlichen Dauerertüchtigung in unserem Alltag und darüber hinaus zur Befragung an – jetzt geht es ums Tatsächliche, denn ja: Wir waren im Krieg! Präsident Macron hatte ihn im Namen der Republik gegen das Virus ausgerufen. Und mitten im Kampfgetümmel malte man sich ja gerne aus, wie süß der Sieg wohl schmecken wird. Dazu müssen wir unermüdlichen Krieger allerdings zuerst noch eine Kleinigkeit klären – und so stellen wir uns jetzt wieder ganz dumm und damit diese dümmliche Frage: Gegen wen führen wir den Krieg eigentlich?

Antwort: Gegen uns selbst… Wie bitte? So dumm kann man doch auch nicht wieder sein, wenn man einen Virus im Visier haben muss. Da geht es ja wohl doch gegen etwas eindeutig Böses, das eindeutig von Außen auf uns übergreifen will. Das gilt es abzuwehren und genau das ist Krieg – und damit Ende der Befragung.

Ja, zugegeben, das kann man so sehen. Aber da wir uns dieser Frage nach dem Kriegsgegner ja auch deshalb stellen, um auszuloten, wie und was nach dem Ende der Attacke des Virus anders als zuvor sein wird, sein sollte oder wenigstens sein könnte, sei eine weitergehende Überlegung erlaubt. Ach, was heißt hier Überlegung, sagen wir es klipp und klar: eine Verschwörungstheorie wird hier nun präsentiert. Wer von solchem Kasperkram nichts wissen will, der höre an dieser Stelle auf zu lesen. Allen anderen sei vorab versichert, das es weniger eine versponnene, als viel mehr eine versonnene Theorie sein wird. Eben eine, die vom Krieg handelt, und zwar jenem gegen sich selbst, und in der der Theoretiker selbst der Verschwörer ist.

Also sei deshalb hier jetzt ein für alle Male klargestellt: Alles, was wir derzeit erleben, entstammt einer einzigen großen Strategie. Das Virus ist darin nur ein klitzekleines taktisches Geplänkel, entsprungen einer perfiden Guerilla-Attacke aus dem Arsenal der Naturkräfte. Doch Corona ist nur – man erlaube mir dieses missglückte, aber entlarvende Wortspiel – die Spitze des schmelzenden Eisbergs in unserem Ringen mit der Natur. Da hatten wir sie fast kleingekriegt und uns untertan gemacht, doch siehe: da wehrt sie sich noch! Manche nennen dieses schleichende, aber gewaltige Aufbäumen der Natur „Klimakrise“. Doch seien wir ehrlich: es ist Krieg! Und der Virus ist Kleinkrieg ganz nach Mao Tsetungs Guerillataktik: Wie ein Fisch im Wasser sollte ihr Kämpfer euch unter Volk und Feind bewegen, oder eben wie ein Aerosol in der Luft. Und wie beides zusammenhängt, Klima und Corona, zeigt ja auch diese wissenschaftliche Erkenntnis: Wo die Luftverschmutzung hoch war, hatte das Virus besonders leichtes Spiel.

Aber wir sind keine Feiglinge, wir geben nicht einfach auf. – Da hatte uns dieser lästige Angriff zum Kleinkrieg gezwungen und die Kampfzone allzu offensichtlich in unseren Alltag verlegt. Aber auch wir haben die Strategie angepasst, sind kurz den Forderungen unseres Gegners entgegengekommen, haben unsere Aktivitäten auf den großen Schlachtfeldern der Produktion und Mobilität ein wenig gedrosselt. Ja, diese Attacke hat uns einmal kurz ein an Natur und Klima besser angepasstes Verhalten abnötigen können. Aber keine Sorge, wir schlagen auch diesen hinterhältigen Angriff zurück – und weiter geht’s dann mit der konventionellen Kriegsführung.

Denn das Kriegsgerät ist ja noch jederzeit startbereit. Die Staffeln der Billigflieger stehen auf den Startbahnen, die Piloten sind noch flugfähig und die Infrastrukturen der Flughäfen intakt: jippie, es kann sofort wieder losgeflogen werden, zumal man in den bewährten Kampfzonen die Kurzeinsätze unserer Ballermänner an der vordersten Front kaum mehr erwarten kann. Die Kondensstreifen werden schon bald wie gewohnt unseren Himmel zieren, und selbst die Flotten der Kreuzfahrer könnten sofort wieder durch die Weltmeere pflügen. Die motorisierten Brigaden schwärmen in ihren Autos Land auf, Stadt ab, ja jetzt schon wieder aus. Und juchu: All die Fabriken, wo all unsere Wegwerfprodukte produziert werden, lassen sich sofort wieder auf kriegsnotwendigen Betrieb hochschalten. Kurz: Das technische System ist nach wie vor da, also wird es genutzt werden. Der industriell-gewerkschaftliche Komplex arbeitet zusammen mit der staatlichen Führung schon an finanzschweren Hochfahrplänen – also dann: hipp hipp hurra, auf sie mit Gebrumm!

Soviel dann auch zu der Annahme, es werde sich an der Wirtschaftsweise nach Corona irgendetwas ändern. Dazu hätte das ganze länger dauern müssen und die Startbahnen überwuchert, die Flugzeuge eingerostet, und niemand hätte mehr so genau wissen dürfen, wie man die Kerosinbomber überhaupt in die Luft bekommt. Und in den Frontstädten müsste man sich darauf eingestellt haben, dass keiner mehr zum Ballern kommt, und vielleicht schon soweit gewesen sein, wieder mit sich und einem bescheideneren Auskommen auch klarkommen zu können – vom weltweit erzeugten Wegwerfplunder mal ganz zu schweigen.

Aber wie gesagt, die Gefahr ist abgewendet, das Ende des Kleinkriegs ausgerufen und die alte Schlachtordnung bald wieder hergestellt. Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner fliegt mit? Vergiss es, die Schwarz- und Rotfußindianer sind ja sowieso schon immer auf dem Kriegspfad gewesen, und selbst die Grünen reden jetzt vom notwendigen Wachstum, das man nun brauche, um… ja, was denn eigentlich? Die Kriegsökonomie aufrechtzuhalten, denn Krieger können sich vielleicht noch einen Sieg vorstellen, aber eben nicht den Frieden ausmalen.

Schade nur, dass wieder einmal die Rechnung ohne uns gemacht wurde, die Verschwörer gegen sich selbst. Stattdessen obsiegen die Verschwörungsleugner. Doch bleibt einem versonnenen Verschwörungstheoretiker wie auch jedem versponnenen immerhin der Triumph, am Ende doch recht gehabt zu haben. Denn so dumm kann man sich gar nicht stellen, um nicht zu erkennen, dass dieser Krieg gegen die Natur letztlich gegen sich selbst geführt wird. Wenn aber die Krieger irgendwann schließlich doch vom hohen Schlachtross purzeln, wird es dann zu spät sein? Vielleicht nicht, aber vorher absteigen, wäre sicher nicht das Dümmste. Und wie? Indem die müden Krieger sich, und sei es nur mal so zum Spaß, eine Friedensökonomie ausmalen.

Und weil es, wie wir Verschwörer behaupten, ein Krieg gegen sich selbst ist, den wir da führen, kann jeder auch bei sich selbst damit beginnen, ein Friedensökonom zu werden. Da muss nicht erst mit warten, bis alle Schlachten geschlagen sind und wir uns alle im Lazarett wiederfinden. Wirtschaftsweiser in der ersten Person Singular kann ein jeder sofort sein – und schon wäre der Anfang gemacht.

Es gibt natürlich noch die anderen Theoretiker, man müsste sie vielleicht besser Praktiker nennen. Kriegstreiber zwar auch sie, aber sie wollen nun umgekehrt, dass man den Kampf gegen die Klimakrise als Krieg auffassen möge und die Menschen für die Bewahrung der ihnen vertrauten geografischen Weltbedingungen zum Verzicht mobilisiert, wie man es sonst zu Kriegszeiten unter Menschen tut: Blut, Schweiß und Tränen – damit könne man sie langfristig zu den großen Umstellung der Lebensweise bewegen, wie es jetzt einmal kurz bei dem Kampf gegen Corona möglich war.

Richtig zwar, dass die größten Glücksempfindungen von Völkern oft mit Kriegsausbrüchen einhergingen, doch wird der Krieg erst Alltag, ist die Begeisterung schnell dahin. Und dem Vorstellungsvermögen für das Ersinnen einer Nachkriegsordnung ist das ewige Kämpfen schon auch nicht förderlich… Ach nee, dann sich lieber zum Frieden verschwören, als nur noch einmal gegen sich selbst.

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