Gut und gerne (1)

Das „Ile aux Epis“ - Mittagessen, basisdemokratisch

Das "Ile aux épis" ist ein Geheimtipp am Strassburger Rheinhafen. Empfehlenswert! Foto: Mats Meeussen

Heute beginnt eine neue Reihe auf Eurojournalist(e) – Redakteur Mats Meeussen testet für uns, für Sie und auch für sich selbst Restaurants in und um Straßburg. Nicht unbedingt die sternedekorierten Fresstempel, sondern Orte, an denen Menschen wie Du und ich in einem netten Rahmen etwas Leckeres zum Essen und Trinken serviert bekommen. Diese Reihe erscheint in unregelmäßigen Abständen, eben so, wie Mats Meeussen Lust und Appetit hat… Viel Spaß!

(Von Mats Meeussen) – Ja, ich bin ein großer Freund des Bordrestaurants der Deutschen Bahn. Aber was hat das mit dem Auftakt einer Reihe zu einigen Perlen abseits der bekannten Touristenrouten in Straßburg zu tun? Den Auftakt widme ich dem „Ile aux épis“, das mich in einem wichtigen Punkt an das Bordrestaurant erinnert. Und es kulinarisch dann doch um Welten übertrifft. Doch der Reihe nach.

Ile aux épis. Begibt man sich auf sprachliche Spurensuche, könnte man meinen, dass eine fruchtbare Insel gemeint sei, die ihre Besucher reichlich nährt: Epi heißt Ähre. Doch épi heißt auch Buhne, also ein künstlicher Damm zum Uferschutz. Dahinter bin ich aber erst nach einigen Mittagessen gekommen, nachdem ich das Restaurant längst als Insel der guten Laune im Fluss des Alltags identifiziert hatte.

Irgendwann wollte ich es aber genau wissen und fand heraus: Die „île aux épis“ bezeichnet jenes Straßburger Viertel, das direkt an der Grenze zu Deutschland liegt. Ich glaube nicht, dass irgendjemand spontan darauf kommt, dass es sich dabei um eine Insel handelt. Aber in der Tat, schaut man sich das Ganze auf einer Landkarte an, stimmt es. Und die Buhnen ragen wie Ähren von der Insel in den Rhein hinaus. Nicht nur dort. Seit dem 19. Jahrhundert erleichtern sie die Schifffahrt auf dem Rhein, ohne sie flöße der Rhein zu schnell und wäre gefährlich. Ich bin froh, nach mehr als zehn Jahren, die ich nun in Straßburg wohne, dies nun zu wissen. Zumal die „île aux épis“ lange eine Art no-mans-land zwischen Deutschland und Frankreich war und sich erst in den letzten Jahren zum baulichen Bindestrich Straßburgs zum Rhein entwickelt. Zeit, etwas mehr darüber  wissen. Wussten Sie es?

Ile aux épis – nach dem Viertel nun das Restaurant. Und etwas mehr Spurensuche. Denn in gewissem Widerspruch zu vorigem Absatz findet sich das Restaurant nicht in einem der frisch hochgezogenen Hochhäuser (darunter das erste Holzhochhaus Frankreichs, davon vielleicht ein anderes Mal), sondern in einem Haus der vorherigen Jahrhundertwende. Das bedeutet hohe Decken und patiniertes Fischgratparkett. Doch hier lauert der nächste Widerspruch: obwohl das einer vornehmen Villa würdig wäre, kommt das Restaurant ansonsten eher bescheiden, wenn auch hübsch daher. Man sitzt an einfachen Tischen, die Weingläser kleine „canons“, wie sie jeder burgundischen Landschänke der 50er-Jahre gut zu Gesicht gestanden hätten, das Besteck könnte einer Schulkantine entliehen sein. Ist es voll, wird man in einem Hinterraum gebeten, in dem auch die Stühle einer französischen Schule, sagen wir aus den 90ern, würdig wären. Dazu kommt Deko aus dem Recyling-Labor: alte Kochutensilien, zusammengeschweißt zu originellen Gebilden, die übrigens auch das Logo des Ladens sind. Passend zur dieser irgendwie stimmigen Innenarchitektur sind die Glühbirnen, die an langen, schwarzen Kabeln pendeln. Was ich mag, ist die Authentizität des Ortes: weder scheinen irgendwelche Bobo-Hipster mit BWL-Abschluss hier das Heft in der Hand zu haben, noch eifrige green-washing-Spezialisten. Hiervon gibt es genug in Straßburg, und es muss zugegebenermaßen nicht immer ein schlechtes Konzept sein (auch hiervon vielleicht ein anderes Mal). Aber hier schmeckt es echt.

Mit „schmeckt echt“ meine ich auch die Küche, passenderweise.

Natürlich ist hier ist nicht gerade der gastronomische Orgasmus zu erwarten. Aber simple, leckere Küche, so wie ich sie mir vorstelle, wenn ich etwa alte Maigret-Krimis lese: Bouchées à la Reine, Entrecôte mit frites, Couscous à volonté, dazu ein solider Roter „qui a des épaules“, der also ordentlich Schultern, sprich Körper, hat.

Mit „schmeckt echt“ meine ich aber auch das basisdemokratsiche Konzept des Ladens. Auf mehreren Ebenen. Das „île aux épis“ wird mit öffentlichen Mitteln gefördert, um Menschen unterschiedlichster Herkunft eine berufliche Zukunft zu bieten und sie fit für den Arbeitsmarkt der Gastronomie zu machen. Das schafft eine unglaublich gute Laune, bei Beschäftigten wie Gästen. Und auch deren Zusammensetzung könnte basisdemokratischer nicht sein: Hafenarbeiterinnen, Anwälte, Architektinnen, Deutsche, Französinnen, Schulkinder, Rentner, Beamtinnen und möglicherweise Rheinschifffahrtskapitän*innen, wer weiß – sieht jedenfalls nach ordentlicher und gleichsam harmonischer Mischung aus. So sollte sich die Gesellschaft im Großen zusammenfinden.

Wie im Bordrestaurant des ICE. Aber das ist eine andere Geschichte.

Basisdemokratische Grüße und bis zur nächsten Kolumne für Straßburgs Eingeweihte und die, die es werden möchten. Gut und gerne.

Weitere Informationen gibt es auf der Internetsite des Restaurants!

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