Schmetterling der Sinne – Madame Butterfly in der Rheinoper

Mit „Madame Butterfly“ wird uns von heute an die Rheinoper in die Sommerferien schicken. Endlich einmal wieder eine wirkliche Oper mit Bühnenbild und Inszenierung, auf dass wir uns nicht ganz an ein Leben ohne Oper gewöhnen, das sicher möglich wäre, aber sinnlos.

Viel Platz fürs Flattern des Schmetterlings - Madame Butterfly in der Rheinoper. Foto: Klara Beck / OnR

Ein Traumgebilde,
Als ich ihn fassen wollte,
Den zarten Falter.

(Michael Magercord) – Als hätte der große Haiku-Dichter Buson im 18. Jahrhundert, als die Amerikaner mit sich beschäftigt waren und sie ihren Weg noch nicht in das ferne Inselreich von Cipangu gefunden hatten, schon geahnt, was sich über 150 Jahre später auf der Opernbühne tun würde, wenn sich ein Offizier der US-Marine in der japanischen Hafenstadt Nagasaki ausgerechnet in eine Geisha mit dem Namen „Butterfly“ vergucken würde.

Ja, hätte dieser Pinkerton, so heißt der junge Ami, doch bloß von der traumgebildeten Zartheit eines Schmetterlings gewusst, bevor er zugefasst hat. Aber so hat der zynische US-Amerikaner die junge Japanerin unter falschen Treueschwüren geheiratet, um doch nur für eine „wahre“ Hochzeit mit einer Landsfrau aus besseren Kreisen in seine Heimat zurückzukehren. Aber so sind sie eben, die grobklötzigen Amis: Alles müssen sie erobern und alles besitzen, selbst wenn sie mit ihren Eroberungen und ihrem Besitz gar nichts anfangen können.

Na na, hat da etwa einer Vorurteile? Nein, und wenn, dann nicht ich, sondern der Autor dieser Geschichte zwischen der Geisha Cio-Cio-San und ihrem Kind, dem Offizier Pinkerton und dessen Frau Kate, und der Freundin Suzuki und dem heiratswilligen Herrn Yamadori. Denn schon zu Zeiten, als Giacomo Puccini daraus seine zauberhafte Oper machte, wurde er des Verbreitens von Klischees beschuldigt. Aber weniger das exotisch zurechtgezimmerte Bild vom fernen Japan galt seiner Zeit als Klischee, sondern die Darstellung des „ugly American“. Puccini reagierte und entschärfte einige der herablassenden Bemerkungen des Offiziers über die Japaner. Und sogar Reue zeigte der überarbeitete Pinkerton in seiner nachträglich eingefügten Arie „Addio fiorito asil“.

Japan hingegen galt um die Jahrhundertwende ohnedies als exotisch und durfte ohne Beanstandungen auch so dargestellt werden. Und warum denn auch nicht? Ein Clash der Kulturen auf der Bühne, zwischen Bewunderung und Verwunderung über eine verschlossene Gesellschaft mit ganz anderen Werten, dahinter verbirgt sich immer auch ein großes Stück Respekt vor der Andersartigkeit des Gegenübers. Auch, wenn das heute in der Welt einer kulturellen Globalisierung in Verruf geraten ist, darauf zu verweisen, dass es gerade kulturell unter der Menschheit ziemlich variabel zugeht, so ist es doch erst dieser Blick auf den Anderen, der uns erlaubt, uns selbst nicht als einzigen Maßstab gelten zu lassen, sondern das Seltsame und Exotische zuallererst in unserer eigenen Kultur zu entdecken.

Zu Puccinis Zeiten befand sich Japan in genau so einem Prozess der Selbstentdeckung. Japan war auf dem Weg in einen modernen Staat, denn die Begegnung mit dem Westen, vor allem den Amerikanern, hat das bis dahin isolierte Inselreich aufgerüttelt. Aber es suchte nach seiner eigenen Art der Moderne, die andere Grundzüge trägt, als jene der Länder des Abendlandes, die sich doch eigentlich als einziges Modell für das Moderne begreifen. Aber „modern“ ist eben nicht gleich „modern“. Es gibt eine Moderne, die sich ganz auf tiefverwurzelte Traditionen stützen kann und aus Altem und Neuen eine eigene Welt bildet. Genau diesen Weg hat in Japan – darunter auch auf Irrwegen und in Sackgassen – während des 20. Jahrhundert beschritten.

Das konnten wir zumindest vor drei Jahren in Straßburg von Pierre-François Souyri lernen, als der Japanologe beim ersten Arsmondo-Festival auf einer Konferenz erklärte, wie sich Japan massiv nach westlicher Manier industrialisierte und gleichsam ein neues Menschenbild für diese Gesellschaft im Aufbruch suchte. Dessen Quellen waren aber eben nicht die westlichen, sondern das klassische chinesische Denken mit der Vorstellung einer kosmischen Harmonie. Was aber nicht die Entwicklung der Ideen eines Sozialismus konfuzianistischer Prägung oder das Erstarken des Shinto-Kultes, behinderte – und nicht einmal jene des Feminismus, wenn der auch eine andere Gestalt annahm, als sich die Feministinnen im Abendland vorstellen.

Denn im Grunde ist diese Madame Butterfly, die uns nun auf der Opernbühne verzaubern darf, ein Kind genau dieser Bewegung: Eine junge Frau nämlich, die sich entscheidet ihren Weg zu gehen, selbst wenn er in den tragischen Untergang führt – was ihre Geschichte damit erst so richtig operntauglich macht. Zumindest für einen lyrisch so versierten Komponisten wie Giacomo Puccini, der dafür die japanischen Pentatoniken studiert hatte, um dem europäischen Klangkörper eine fernöstliche Farbe zu verleihen.

Herausgekommen ist ein Meisterwerk für die Sinne, das die ganze Welt in seinen Bann zu ziehen vermag. Und so wird es uns Opernbesuchern am Ende dieses Abends vielleicht so ergehen, wie es der japanische Dichter Wafû, ein echter Zeitgenosse der fiktiven Madame Butterfly, in seinem Haiku über seine Begegnung mit einem Schmetterling zum Ausdruck bringt:

Der Falter entschwand,
Und meine eigne Seele
Kam wieder zu sich

Madame Butterfly – Oper von Giacomo Puccini
Japanische Tragödie in drei Akten aus dem Jahre 1904

Regie: Mariano Pensotti
Dirigent: Giuliano Carelle
Philharmonie Straßburg OPS
Madame Butterfly: Brigitta Kele
B. F. Pinkerton: Leonardo Capalbo

Straßburg – Opéra
FR 18. Juni, 19.30 Uhr
SO 20. Juni, 17.00 Uhr
DI 22. Juni, 19.30 Uhr
DO 24. Juni, 19.30 Uhr
MO 28. Juni, 19.30 Uhr

Mülhausen – La Filature
SO 4. Juli, 17.00 Uhr
DI 6. Juli. 19.30 Uhr

Information und Karten unter: www.operanationaldurhin.eu

Weitere Veranstaltung:

Arsmondo Libanon
Libanesische Polyphonien

Oper Straßburg
SA 19. Juni, 18.00 Uhr

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