Drogerie und Grundeinkommen

Vor einer Woche verstarb Götz Werner, Gründer der Drogeriekette „dm“ und aufrichtiger Streiter für das bedingungslose Grundeinkommen. Vor gut vier Jahren erlebte ihn unser Autor bei einer Wahlkampfveranstaltung – eine bleibende Erinnerung.

Indianerhäuptlinginnen das Grundeinkommen erklären - Götz Werner in Göttingen 2017. Foto: © Michael Magercord

(Michael Magercord) – Götz Werner war ein besonders erfolgreicher Unternehmer. Wer kennt sie nicht, seine Drogeriemärkte „dm“. Ihre Geschäfte sind ja nicht zuletzt ein beliebtes Ausflugsziel der elsässischen Grenzgänger, nicht umsonst steht am deutschen Ende fast jeder Rheinbrücke eine Filiale der Handelskette.

Doch im vergangenen Jahrzehnt, seit er das operative Geschäft in die Hände seiner Kinder gelegt hatte, war Götz Werner vor allem die bedeutendste Stimme einer Idee, die sich wiederum vielleicht noch als das bedeutendste gesellschaftspolitische und visionäre Projekt aus unserer Zeit herausstellen wird. Es geht um das sogenannte „bedingungslose Grundeinkommen“ – also ein Einkommen, das jeder Bürger eines Landes oder sozialpolitischen Einheit ohne Gegenleistung erhalten soll, und dessen Höhe sich nach den unmittelbaren Bedürfnissen eines Menschen in diesen jeweiligen Gesellschaften richten soll.

Mittlerweile hat diese grundsätzliche Idee sogar erste praktische Projekte hervorgebracht, nicht zuletzt durch den Verein „Mein Grundeinkommen“, der schon länger regelmäßig aus Spendeneinnahmen Probegrundeinkommen für ein Jahr in Höhe von 1.000 Euro im Monat verlost. Und nun hat dieser Verein einen umfassenden Modellversuch mit 122 Probanden gestartet, über drei Jahre hinweg sollen die Auswirkungen auf das Leben und das Befinden der Empfänger von monatlich 1.200 Euro untersucht werden. Wie populär die Idee und die Aussicht auf so eine Zahlung ist, konnte Anzahl der Bewerber illustrieren: mehr als zwei Millionen Menschen hatten sich als Testdummys beworben.

Die Vorstellung, ein Grundeinkommen zu beziehen, ist ja auch nur allzu verlockend. Aber Achtung: So schön die Idee ist, sie hat in der Politik bislang kaum Fürsprecher, auch weil jene, die für sie sprechen, sie oft völlig überladen und im Grundeinkommen ein Allheilmittel für nahezu alle gesellschaftlichen und persönlichen Probleme sehen. Wären es nur diese Stimmen, das Grundeinkommen hätte sich schon erledigt.

Aber es gab ja eben noch Götz Werner, ein ausgewiesen erfolgreicher Manager und bestimmt alles andere als unrealistischer Spinner. Er hat für die Erdung der Idee gesorgt und die allzu rosigen Vorstellungen ihrer Anhänger zu dämpfen gewusst, und gleichzeitig konnte man seinen Argumenten für die Freiheit des Einzelnen und die notwendige gesellschaftliche Reaktion auf die Veränderungen in der zukünftigen Arbeitswelt kaum mir nichts, dir nichts von der Hand weisen. Bis zuletzt hatte Götz Werner als Leiter des Instituts für Entrepreneurship in Karlsruhe mit seinem wissenschaftlichen Team an der Weiterentwicklung der Idee gearbeitet.

In Erinnerung an den klugen, feinsinnigen und weitsichtigen Menschen weisen wir nun auf einen Artikel hin, der hier im September 2017 erschienen ist. Die Bundestagswahl stand kurz bevor, die Spitzen der Partei mit dem Namen „Bündnis Grundeinkommen BGE“ traf sich zu einem letzten Kongress vor dem Urnengang in Göttingen, Götz Werner trat dabei als Redner auf. Die Partei konnte in den Wahlen ganze 0,2 Prozent der Stimmen – man verzeihe die überschwängliche Formulierung – auf sich vereinen. Definitiv unter Wert geschlagen, wenn man die Tragweite der Idee in Betracht zieht. Im letzten Jahr trat das BGE nicht mehr an, was an internen Auseinandersetzungen der Mitglieder lag. Doch damit dürfte sich das Thema kaum erledigt haben, der Weg ist ein anderer, wie der Modellversuch ja zeigt – Götz Werner ist nicht mehr, seine Ideen aber werden bleiben.

Finden Sie hier den Artikel vom 22. September 2017 und hier die Eingabe einer Petition des Netzwerks Grundeinkommen an die Europäische Kommission mit der Aufforderung zur Unterbreitung eines Vorschlages für ein gesamteuropäisches Grundeinkommen.

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